Die Quinta Jardins do Lago umringt ein subtropischer Garten. Im Hinterhof werden Stecklinge für die Aufforstung kahler Gipfel gepflanzt.

Inforamtionen: Jardins do Lago

Foto: Jardins do Lago

Bild nicht mehr verfügbar.

Beim Anflug auf Madeira empfiehlt sich der Fensterplatz. Bis kurz vor der Landebahn sieht man unter sich weit und breit nur Meereswasser. Von Wien erreicht man Funchal etwa mit TAP Portugal. Zwischengestoppt wird hier in Brüssel oder Lissabon. Die Lauda Air fliegt auch direkt. Der Flughafen liegt bei Santa Cruz, circa 20 Kilometer von der Hauptstadt entfernt, und ist gut per Bus erreichbar.Zur Besichtigung der Insel lohnt sich nicht nur die Tour rundherum, sondern auch von unten nach oben. Mit dem Jeep kommt man auf engen Straßen dem ruralen Madeira näher: www.mountainexpedition.pt

Es gibt auf Madeira und auch auf dem Festland Portugals zahlreiche alte Herrenhäuser, die nun als Hotels bewohnbar sind. Unter der Marke Quintas da Madeira haben sich acht solcher zusammengeschlossen. Das Konzept: Ein historisches Landhaus mit großem Garten muss vorhanden sein. Viele bieten außerdem Spa-Anlagen, Pool oder Golfplatz: www.quintas-madeira. comEin Tipp für Kunstinteressierte ist das Kunstzentrum Casa das Mudas in Calheta. Karger Basaltstein beherbergt umso buntere Kunst. Außerdem eine Bibliothek, ein Auditorium und ein Restaurant: www.centrodasartes.com

Foto: Quinta da Rochina

Ein Pfad, gepflastert mit den kleinen, typisch portugiesischen Steinen, die die Fußreflexe stimulieren. Er führt durch sich auffächernde Kandelaberbäume, wilde Sträucher und frei gedeihendes Immergrün, das wie dickes, weiches Haar von den mächtigen Ästen hängt. Inmitten der gepflegten Wildnis ein perfekter Rasen. Ein Mann im Anzug krault eine Galapagos-Schildkröte am Unterkinn. "Das ist Colombo, Liebling und Maskottchen des Hauses", erklärt Duarte Vieira da Silva. Außerdem ist der 53-jährige Colombo der einzige Dauerbewohner der madeirischen "Quinta", in der einst, während der Napoleonischen Kriege, der britische General Beresford residierte. Heute ist das alte Landhaus das Hotel Jardins do Lago, das Vieira da Silva managt.

Es ist eines von acht, die sich unter die Marke Quintas de Madeira stellen. Das gemeinsame Konzept ist es, ein historisches Herrenhaus mit großem Garten zu einem kleinen, persönlichen Hotel umzugestalten. Jede Quinta soll dabei ihren eigenen Stil kultivieren. Dementsprechend variieren das Innenleben - vom kolonial-protzigen Schick bis zur minimalistischen Coolness - und ebenso die Preisklasse der Hotels, die sich mit vier oder fünf Sternen schmücken.

Aufforstung des schwimmenden Gartens

Die Spezialität von Jardins do Lago ist der Garten. "Weihnachtssterne sind bei uns Bäume", sagt Vieira da Silva lachend, da er weiß, wie es um die Blümchen steht, die traditionellerweise im Advent unsere Tische schmücken. Der Hinterhof des Prachtgartens erlaubt einen Blick hinter die edlen Kulissen: neben Kompost und Recycling Stecklinge in geteilten Tetrapaks, so weit das Auge reicht. Hier werden nicht nur neue Pflänzchen für den Hotelgarten herangezogen, sondern auch welche, die zur Aufforstung der madeirischen Berggipfel dienen, die letztes Jahr durch riesige Waldbrände gerodet wurden. Die Quinta stellt dafür Erde und Land zu Verfügung.

Madeira sei eben ein schwimmender Garten, schwärmt Duarte Vieira da Silva, auf Bananen-Maracujas und noch grüne Papayas deutend. "Trotz des ganzen Zements", fügt er hinzu und spielt damit auf den Ausbau der Straßen an, der im letzten Jahrzehnt stark vorangetrieben wurde. Durch die vulkanischen Berge und Hügel, die die Insel bedecken, ziehen sich breite Tunnel, die es erlauben, schneller voranzukommen.

Fahrt durch Madeiras Klimazonen

Die Erzählungen rund um die alten Straßen klingen fast mystisch. Man hört von Panikattacken und Schreikrämpfen von Touristen, die sich mit ihren Leihautos auf die steil abfallenden Wege verirrt hätten. Will man die rurale und ursprüngliche Infrastruktur Madeiras nachvollziehen, kann man sich im Jeep auf abenteuerlich schrägen Straßen, verwachsenen Pfaden und durch kleine Wasserfälle kutschieren lassen.

Will man verstehen, wie die Insel funktioniert - etwa wo das ganze Obst und Gemüse herkommt -, empfiehlt sich die Reiseroute nicht nur rundherum, sondern auch von unten nach oben anzulegen. Während unten am Meer tropisch die Bananenstauden ranken, liegt auf den höchsten Punkten der kleinen Insel, auf mehr als 1800 Metern, Schnee. Dazwischen gibt es subtropische und gemäßigte Zonen, in denen Zuckerrohr und Avocados wachsen. Die Temperatur wird zum Höhenmesser. 

Zu kalt für Bananen

Entsprechend kühler ist es in der Quinta do Furao, die auf einem Plateau an der Nordostküste liegt. Das Haus und die Küche sind bodenständiger und gemütlich. Das Publikum ist jünger, denn man kommt her, um zu wandern. Hier starten etwa die Pfade entlang der berühmten Levadas, der alten künstlichen Wasserläufe, die spannende Wanderwege erschließen. Den Bananen ist hier oben zu kalt. Vor dem steilen Abgrund mit Blick auf ins Meer ragende, mächtige Felsen wächst der Wein.

Selbst mixen, selbst kassieren

Mit der Quinta da Rochina in dem beschaulichen, kleinen Ort Ponta do Sol schlug André Diogo einen ganz anderen Weg ein. "Nicht nur der Swimmingpool, sondern auch die Leute machen die Atmosphäre", sagt der Hotelmanager. Und da "Honeymooners" und "Businessmen" dieser eher abträglich seien, war ihm klar: Sein Hotel soll kein teures werden. Er setzt auf Individualität und Selbstbestimmung. Pool und Jacuzzi sind rund um die Uhr offen und können mit eigener Musik bespielt werden. Wer um vier Uhr früh einen Cocktail trinken möchte, kann sich den selber mischen und in der "Honesty Bar" auch gleich selber kassieren.

Während sich in vielen Quintas antike Holzmöbel türmen, setzt man hier auf glatte Oberflächen, wenig Farbe und schlichte Formen. Die Quinta da Rochina oder auch Estalagem da Ponto do Sol gehören zu der internationalen Gruppe Design Hotels. Aber: "Design", stöhnt Diogo in Pfui-Wort-Manier, "ich habe genug von diesem klischeehaften Wort!" Das Innere soll das Äußere nicht zudecken, sondern unterstützen, erklärt er mit Fingerzeig auf die riesigen Fenster, die das unweit glitzernde Meer und den Hügel nebenan rahmen. Auf dem stehen eine kleine Ruine und ein originales Art-déco-Cinema.

Schlicht aber gestylt

Zwischen den zwei Hügeln findet sich, dem portugiesisch-stämmigen Schriftsteller gewidmet, das Centro Cultural John dos Passos und das zweite Projekt von Manager André Diogo: das Hotel da Vila. Wo sich heute hippe, jüngere Touristen auf der Sonnenterrasse bei einem Kaffee räkeln, hat einst ein kleiner Bub seinem während der Militärdiktatur aus politischen Gründen inhaftierten Onkel Zigaretten durch die Gitterstäbe gereicht. Erwachsen kehrte er zurück, kaufte das Gefängnisgebäude und machte daraus ein kleines Hotel.

Das Hotel da Vila und das Estalagem da Ponto do Sol sind durch ein paar Gehminuten und eine Aufzugfahrt senkrecht durch den Fels getrennt. Die Gäste der wesentlich günstigeren Bleibe unten (Devise: "no stars") können die Einrichtungen des luxuriöseren Hotels oben mitbenutzen. Weniger Luxus, aber nicht weniger Design. Der Kaffeehaustisch ist aus Regenwaldholz geschnitzt, das der örtliche Bach nach einem Unwetter anschwemmte. Betont setzt man auf Wiederverwertung und Recycling-Eleganz. Die schlichten, aber betont gestylten Zimmer sind rundum weiß. Da und dort stechen Türknöpfe oder Geländer aus poliertem Naturholz hervor. Kein Schnörkel weit und breit.

Neben ihrer Leistbarkeit ist es die Kunst, die sich diese beiden Hotels auf die Banner schreiben. Ausgewählte Gemälde und Skulpturen schmücken die Gänge. Eine Frau sitzt gedankenverloren auf ihrer Terrasse und malt. Auch in dem Art-déco-Kino und der Ruine drüben auf dem Nachbarhügel finden kulturelle Events statt, erzählt Diogo.

Leicht im Labyrinth

Wenige Kilometer die Küste entlang taucht wie aus dem Nichts das Kunstzentrum Casa des Mudas auf. Das eindrucksvolle eckige Gebäude aus kargem, grauem Basaltstein ist aufgebaut wie ein Labyrinth. In seiner Mitte steht bronzeglänzend eine riesige Skulptur Fernando Boteros, inklusive des typischen dicken Hinterteils. Selbst umgeben von massivem Metall und Stein, fühlt man sich leicht auf der hügeligen Insel. Man kommt von einer Terrasse, die in die steilen Berge gearbeitet wurde, auf die nächste. Die geweißelten Wohnhäuser, die Blechschuppen und Holzhütten, die in ruralen Gebieten an den Bergkamm gebaut werden, lachen den Gesetzen der Statik ins Gesicht.

Großflächige Agrikultur ist hier nicht möglich. Die Terrassen sind klein, der Zugang schwierig, an maschinelle Bearbeitung ist nicht zu denken. Daran merkt man selbst im touristischen Madeira die Krise: Auf jahrelang brachliegenden Flächen sprießen wieder Obst und Gemüse für den Eigenbedarf. Ob ihrer hohen Berge stellt die Insel den in die Ferne Blickenden praktisch überall vor die Entscheidung: Blau oder Grün. Meer oder Wald. (Julia Grillmayr/DER STANDARD/Album/10.3.2012)