Wien - Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) hatte eine breite Front der Ablehnung gegen sich. Nicht nur Rechtsanwälte, Ärzte, Journalisten und Notare protestieren gegen die geplante Änderung der Strafprozessordnung (StPO), auch in ihrer eigenen Partei machte sich Unmut über die Performance der Justizministerin breit. Am Montagabend wurde schließlich ein Kompromiss zur umstrittenen Novelle des Paragrafen 112 Strafprozessordnung (StPO) gefunden. Das Lobbyinggesetz, das am Dienstag im Justizausschuss besprochen werden sollte, wurde überhaupt auf Mai verschoben.

Der von Rechtsanwälten, Journalisten, Ärzten, Notaren und anderen als Aushöhlung des Berufsgeheimnisses kritisierte Plan Karls zum Umgang mit beschlagnahmten Unterlagen soll den Betroffenen als mögliche Alternative angeboten werden. Im Normalfall soll die Sichtung der Dokumente aber weiterhin dem Gericht obliegen, berichteten Justizministerin Beatrix Karl und SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim am Montag nach einer Besprechung, an der Vertreter aller fünf Parteien teilgenommen hatten.

Widerspruchsmöglichkeit

Unverändert erhalten bleiben soll die Widerspruchsmöglichkeit auch für Beschuldigte. Außerdem soll künftig verpflichtend der Betroffene zur Sichtung der Unterlagen beigezogen werden.

Karl räumte am Montag ein, dass sie es jetzt "im Nachhinein" bedauere, nicht schon früher Experten beigezogen zu haben. Wären diese aber nicht über die Medien, sondern direkt an sie herangetreten, "hätten wir das auch ohne diesen Wirbel regeln können". Die Ministerin beteuerte, dass ihr Konsens sehr wichtig sei - weil Justizpolitik auch Gesellschaftspolitik ist.

Hinter den Kulissen war schon über eine bevorstehende Ablöse von Karl gemunkelt worden, auch in der ÖVP stand man der Justizministerin zunehmend kritisch gegenüber. Die Steirerin hätte nach dem verunglückten Experiment, das die ehemalige Richterin Claudia Bandion-Ortner auf einem ÖVP-Ticket ins Justizressort geführt hatte, dort eigentlich für Ruhe sorgen sollen. Stattdessen gehen in regelmäßigen Abständen die Wogen hoch. Nach der Zurücknahme der Pläne zur Diversion, die, wie Kritiker meinten, ein Freikaufen von der Strafverfolgung bei Korruptionsfällen möglich gemacht hätten, sorgte Karls Plan zur Änderung des Umgangs mit beschlagnahmten Dokumenten für Aufregung.

Gar kein Tadel

"Ich habe gar keinen Tadel anzubringen", verteidigte am Montag ÖVP-Chef und Vizekanzler Michael Spindelegger seine Justizministerin. Am Sonntag hatte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner ihrer Parteifreundin geraten, den Dialog zu suchen und sich mehr Zeit zu nehmen. Andere in der ÖVP gehen härter mit Karl ins Gericht, allerdings nur hinter vorgehaltener Hand. Ihre Performance beschädige den Gesamtauftritt der Partei, beklagt sich ein Mitglied des Parteipräsidiums. Ein Abgeordneter sagt: "Inhaltlich wäre sie ablösereif." Spindelegger habe sich schon genug geärgert, "aber ihm sind die Hände gebunden". Zum einen wolle er keine parteiinterne Rochade auslösen, zum anderen sei er in Geiselhaft der steirischen Volkspartei.

In der steirischen ÖVP ist man hellwach wegen des Geredes in der Bundeshauptstadt, die "steirische" Ministerin könnte abgelöst werden. Christopher Drexler, der steirische VP-Klubchef und engste Berater von Parteichef Hermann Schützenhöfer, stärkt Karl demonstrativ den Rücken: "Ich bleibe dabei: Ministerin Beatrix Karl ist die Perle des steirischen Politikexportes. Wo gehobelt wird, fallen Späne, aber das ändert nichts daran, dass Beatrix Karl ein exzellentes Regierungsmitglied ist." Die steirische Partei stehe "selbstverständlich voll hinter Karl" und er gehe davon aus, dass dies auch die Spitze der Bundespartei tue, sagte der VP-Klubchef am Montag im Gespräch mit dem Standard.

Gegen die von Karl geplante Änderung des Umgangs mit beschlagnahmten Dokumenten hatte sich zuletzt auch das International Press Institute (IPI) ausgesprochen, das der Justizministerin vorwarf, "die Demokratie Schritt für Schritt unter eine autoritäre Kontrolle" bringen zu wollen. (cms, mue, nik, völ, DER STANDARD; 13.3.2012)