Edinburgh, die Hauptstadt Schottlands hat etwa 550.000 Einwohner, etwa 300 Hotels, davon vier Fünf-Sterne-Unterkünfte.

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Das 1902 errichtete Balmoral gehört zu den ältesten der Stadt.

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Sein Uhrturm ist ein Wahrzeichen der Stadt.

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Unverkennbar. Mrs. Rowling war hier.

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Die Universität von St. Andrews ist die älteste von Schottland. Hier lernten sich nicht nur Prince William und Kate Middleton kennen, sie war auch Drehort für einige Szenen zu den Harry-Potter-Verfilmungen.

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Das frisch wieder eröffnete Sheraton Grand in der Altstadt investierte ...

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... mehrere Millionen Pfund in Um- und Ausbau.

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Pool am Dach inklusive.

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Teile des Gebäudes von The George Hotel wurden bereits 1784 errichtet.

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Aus dem ehemaligen Garten wurde ein Festsaal.

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Schwindelfreie können sich einen Panorama-Blick gönnen.

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Das Grand Central in Glasgow erstrahlt mit wieder entdecktem Marmorboden.

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"Nichts gegen das Sheraton, aber willkommen in der guten alten Lady Balmoral." Der Concierge, Barett mit Wollbommel am Kopf und den traditionellen Schottenrock um die Hüften, lächelt breit und stellt sich vor: "Robert. Robert McCallachan" - Robert, Kind von Callachan. Als würde die altehrwürdige Dame ihm gehören, führt er durch die verschlungenen Korridore, durch Zimmer und Suiten des Fünf-Sterne-Hotels. Vor gut einem Jahrzehnt wurde das Haus um 23 Millionen Pfund (27,5 Mio. Euro) generalrenoviert. 

Queen Mum und das Lamm

Moderne Technik kann dennoch nicht über das geschichtsträchtige Gebäude hinwegtäuschen. Brauntöne beherrschen das Ambiente, eine wohltuende Ruhe und der Geist einer längst vergangenen Epoche liegen in der Luft. Zarte Musik läuft im Hintergrund. Die Aufzüge sind mit Holz und Messing ausgekleidet, der Teppichboden ist sympathisch abgetreten und die Stufen der Treppe knarren vielsagend bei jedem Schritt. Jeden Moment könnte Queen Mum um die Ecke biegen. Und tatsächlich hat die im Jahr 2002 verstorbene Mutter der heutigen Königin Elizabeth II. in den 1970er-Jahren regelmäßig hier übernachtet. "Gegrilltes Lamm zählte zu ihren Lieblingsspeisen", erinnert sich Hotelmanagerin Lauren Meldrum. "For Lunch", wie sie betont - zugegeben, klingt majestätischer als "Mittagessen" im saloppen Deutsch.

Viel will man nicht sprechen über die Prominenz, die hier ein und aus geht. Prinzen und Prinzessinnen, aber auch Paul und Linda McCartney oder Sophia Loren seien hier zu Gast gewesen, lässt sich Meldrum abringen. Diskretion hat oberste Priorität. Im fünften Stock kann sie dann doch nicht mehr an sich halten und öffnet die Tür zu Suite 552. Gebundene Wälzer der Harry-Potter-Ausgaben 1 bis 7 springen ins Auge. Ein Kinderzimmer? Nicht ganz. Als "normaler Gast" mietete sich die schottische Schriftstellerin Joanne K. Rowling hier für fünf Monate ein und beendete im Jänner 2007 den siebenten und letzten Teil der Zauberlehrlingssaga. "Jeden Tag von neun bis fünf hat sie an diesem Schreibtisch geschrieben, sehr diszipliniert, anschließend ist sie zum Übernachten nach Hause gefahren. Nicht schlecht, wenn man bedenkt, dass sie den ersten Teil in einem Kaffeehaus neben einem Kinderwagen geschrieben hat", so die Managerin.

Gut möglich, dass Rowling am Nachhauseweg an St. Andrews, der ältesten Universität Schottlands, vorbeigekommen ist - später sollten hier einige Szenen ihrer Erfolgsromane gedreht werden. Im Balmoral ist man sichtlich stolz auf den prominenten Gast. Dennoch sorgt Rowling vor einigen Jahren für blankes Entsetzen. Nach ihrer Abreise "entdeckt" das Hotelpersonal eine "Schmiererei" an der Rückseite einer wertvollen Figur im Zimmer: "JK Rowling finished writing Harry Potter + and the Deathly Hallows in this room (...)", kritzelte sie ins Genick der Büste. Heute steht selbige hinter sauber poliertem Glas, die Suite trägt den Namen der Schriftstellerin - PR wolle man damit aber nicht machen.

Werbung braucht das Balmoral ohnehin nicht. Es ist das einzige Hotel der Stadt mit freiem Blick auf den Hausberg, den erloschenen Vulkan Arthur's Seat, auf Edinburgh Castle und auf den heutigen Bahnhof Waverly Station. Von hier beginnt The Royal Scotsman des Unternehmens Orient Express seine Luxusreise durch Schottland und die Highlands. Damit Reisende nicht zu spät kommen, zeigt die Uhr am majestätischen Turm des Hotels die Zeit seit jeher um drei Minuten zu früh an.

Dienstboten im Graben

In der Hotellobby sitzen Menschen, manche lümmeln in den Sofas. Menschen, die auf der Straße vor dem Hotel in den Massen untergehen würden. Die Princes Street ist die Hauptstraße und der Beginn der georgianischen "New Town". Mit ihren rechtwinklig angelegten Gassen erstreckt sie sich weiter Richtung Norden. Die Gebäude sind so wie die der Altstadt aus gelbem Sandstein, an den Fassaden stark verrußt und geben Edinburgh seine zwei Namen: "Athen des Nordens" und "Old Reeky" (verraucht). Zwar prägen tausende Schornsteine das Bild der Stadt, doch aus Umweltgründen ist es längst verboten, mit Holz oder Kohle zu heizen.

Umweltgründe sind es auch, die die reichen Bewohner Edinburghs im 18. Jahrhundert aus der Altstadt fliehen lassen. Dreckige Straßen und schmutzige Luft sind nichts für die damalige High Society. In mehr als hundert Jahren entsteht der neue Stadtteil. Markante Häuser, die über Brücken aus Treppen zu erreichen sind. Im Graben zwischen Gehsteig und Haus haben die Dienstboten ihre Wohnungen. Auf Vorgärten verzichtet der Adel, dem in dieser Gegend der frische und gesunde Wind des Nordmeers entgegenweht. Die Damen von einst wollen sich auf der kurzen Strecke zur Kutsche die langen Kleider nicht beschmutzen.

Auffallend in den Wohngegenden ist jedoch die Vielzahl an Parks. Sie sind eingezäunt, die Gartentüren verschlossen: Damals wie heute wollen die Menschen nicht auf eigene Grünflächen verzichten und legen daher schon sehr früh Gemeinschaftsparks an. Zutritt haben nur Mieter der jeweiligen Häuser. Positive Nebenwirkung: Die Parks sind gepflegt, Hundstrümmerln ein Fremdwort. Böse Stimmen behaupten, dies sei mit ein Grund, weshalb Edinburgh heute zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört.

Johnny Cash am Damenklo

Einen Panorama-Blick über die Stadt bietet die Terrasse der Penthouse-Suite von The George Hotel (vier Sterne plus). Es liegt in der - nomen est omen - George Street, eine Bond Street des Nordens. Von der aufwendig gestalteten Fassade abgesehen, deutet wenig auf das luxuriöse Innenleben des Hotels hin. Einst die "bescheidene" Zentrale eines Versicherungsunternehmens, dann Eigentum eines Privatiers, wird es Anfang des 20. Jahrhunderts zu dem, was es heute ist.

"Ich erinnere mich noch an Elizabeth Taylor", sagt ein Angestellter, "und war verblüfft, wie klein sie eigentlich war und wie freundlich und offen." Sofort nachdem sie das hoteleigene Restaurant verlassen hatte, habe er auf die Unterseite ihres Sessels ihren Namen geschrieben. Wo dieser heute ist? "Wir wissen es nicht genau, aber irgendwo steht er noch." Über Johnny Cash erzählt man, er habe sich - wen wundert's? - ganz gern im Pub im Untergeschoß aufgehalten. Ausgerechnet an dem Ort, wo sich heute die Damen-Toiletten befinden. Heute oder besser gesagt seit dem Jahr 2006: Mit zwölf Millionen Pfund (14,3 Mio. Euro) wird das Haus damals teils um-, teils ausgebaut und generalsaniert. Den ehemaligen Innengarten lässt Hotelbetreiber Principal Haley zum Festsaal umgestalten.

Ortswechsel, Glasgow: 20 Millionen Pfund (23,8 Mio. Euro) fließen hier in einen der "Brüder" von The George, dem Grand Central Hotel. Doch die Renovierung verschlingt nicht nur Geld, sie fördert auch Erstaunliches zutage: Unter vier Schichten verklebter Teppiche erscheint der kunstvoll gestaltete Marmorboden der heutigen Champagner-Bar. Ein Flair, ein Filmriss: Die 1950er- und 1960er-Jahre sind auferstanden. Flirrende Luft, das klingende Geräusch der Eiswürfel in den Whisky-Gläsern, Stimmengewirr, Kronleuchter, ein Barkeeper mit Anzug und Fliege. Einzig Frank Sinatra und Sammy Davis jr. fehlen. Doch sie waren hier. Sie, aber auch John F. Kennedy, Gene Kelly und Winston Churchill. Sie alle sind wohl auch irgendwann staunend im Treppenhaus gestanden, mag man sich vorstellen. 22 Meter lang hängt die Leuchte aus tausenden Glasstücken vom Plafond bis ins unterste Stockwerk.

Blinkblink im Badezimmer

Zurück nach Edinburgh, zurück an den Anfang. Diesmal in die Altstadt, einen Stein- oder, schottisch gesagt, einen Baumstammwurf von der Royal Mile entfernt, die sich bis zum Stadtteil Holyrood, bis zur Residenz der britischen Königin, windet. Was dem Sheraton Grand Hotel an Tradition fehlt, machen findige Architekten mit zeitgenössischem Design und einem Outdoor-Infinity-Pool am Dach wett. Fast zwei Jahre lang war das Gegenstück zum Balmoral wegen Renovierungs- und Umbauarbeiten geschlossen. Eine mutige Entscheidung in einer Stadt, die überwiegend vom Tourismus lebt und wo die Konkurrenz nicht schläft.

Seit Anfang März ist das Sheraton wieder geöffnet. Die Distel, seit mehr als 500 Jahren eines der Nationalsymbole Schottlands, sticht sprichwörtlich aus jedem Winkel ins Auge. Die stachelige Blume blüht als Teppich- oder Vorhangmuster, als Tischdekoration und selbst als Abendgabe auf dem Bett. Weitere traditionelle Elemente sind leider typisch europäischen bzw. US-Standards gewichen.

Noch wütet eine Heerschar an Arbeitern hinter den Kulissen. Es wird geschremmt, gebohrt, geklebt, gereinigt, LED-Bildschirme werden montiert. Den künftigen Gästen soll es in den perfekt durchgestylten Zimmern an nichts fehlen, kein Wunsch soll offen bleiben. Doch manchmal ist weniger bekanntlich mehr. So kann sich die Freude aufs Schlafen - und das gilt auch für andere Prestigehotels - schnell zum Albtraum auswachsen. Einmal den Lichtschalter betätigt, verwandelt sich die Beleuchtung in einen sanften Rot-Ton. Zweiter Versuch: Einige Lichter gehen aus, andere dimmen sich auf Romantik-Level herunter. Nächster Klick: Die Spiegel-Beleuchtung im Badezimmer wechselt von blassblau zu sanftgrün und zurück. Neuerlicher Anlauf: Das Zimmer blinkt. Sportliches Weitermachen: Alle Lichter gehen aus, die störrischen Nachttischlampen erneut an. Verzweiflungsakt: Stecker raus.

Was bleibt? Ein Glas uisge beatha (Lebenswasser, Whisky), slàinte (Prost) und oichdhe mhàth (gute Nacht). (Sigrid Schamall aus Edinburgh/Glasgow, 13.3.2012)