1977 spottete Fritz Herrmann, Referent des damaligen Kulturministers Fred Sinowatz (SPÖ), in einem Reimgedicht über die Repräsentationskultur: "Ein jeder Mensch hat sei' Kultur, / dem Volk steht nur die niedre zua, / doch d' bessern Leut zieht's von Natur - trara trara zur Hochkultur!" Er geißelte das "bürgerliche Kunstgequatsch" (noch dazu in der AZ!), die pragmatisierten Burgschauspieler und sorgte mit der folgenden Strophe für einen Skandal: "Es scheißt der Herr von Karajan / bei jedem falschen Ton sich an / und wascht sein Arsch im Goldlawur - anal sein g'hört zur Hochkultur!"

Doch die sozialdemokratische Kulturpolitik ab 1970, unterbrochen nur von der Ära Schüssel (2000-2006), vermochte nichts daran zu ändern, dass die " Hochkultur" den Großteil der Mittel aufsaugt: Für Literatur, bildende Kunst, die kleineren Festivals und Theatergruppen bleiben weiterhin nur die Krümel.

Dies wird zwar gern in Abrede gestellt, die Zahlen aber dokumentieren es deutlich: 2010 betrug das Budget des Kunstministeriums 420,25 Millionen Euro. Davon wurden 146,77 Millionen für die Bundesmuseen samt Nationalbibliothek aufgewendet, 143,65 Millionen für die Bundestheater. Und 31,06 Millionen erhielt der Denkmalschutz. Für die eigentliche Kunstförderung stand nur ein Fünftel des Budgets zur Verfügung, und zwar 87,78 Millionen Euro.

Von diesem Betrag, der sich in den vergangenen Jahren nicht erhöht hat, ist der Großteil fix verplant: 16,57 Millionen Euro gingen an das Österreichische Filminstitut, 6,5 Millionen an das Theater in der Josefstadt, 5,41 Millionen an die Salzburger Festspiele, 4,73 Millionen an das Volkstheater, 2,29 Millionen an die Philharmoniker und 2,18 Millionen an die Bregenzer Festspiele. Die zehn am stärksten geförderten Institutionen erhielten 43,13 Millionen - und damit die Hälfte des Förderbudgets.

Die Kulturausgaben des Bundes fließen, wie das Institut für Kulturmanagement und Kulturwissenschaft immer wieder feststellt, "in die Erhaltung von Strukturen und Großinstitutionen" und "nur zu einem kleinen Teil in Einzelprojekte und in die freie Kulturszene". Sprich: Das zeitgenössische Kunstschaffen hat es schwer, sich gegenüber dem drückenden historischen Erbe zu behaupten.

Die Künstler pochen daher in regelmäßigen Abständen auf eine "Umverteilung" der Steuergelder - von der "Hochkultur" in die zeitgenössische Kunstproduktion, die das kulturelle Erbe der Zukunft sei. Allerdings ohne epochale Erfolge. Erst kürzlich, im Jänner, erteilte Kulturministerin Claudia Schmied einer solchen Forderung, geäußert von der Plattform zeitgenössischer Theater- und Tanzhäuser, eine Absage. Zudem machte sie jegliche Hoffnung auf frisches Geld zunichte: "In der gegebenen Situation" sei es " unrealistisch zu erwarten", dass der Bund neue Förderaufgaben übernehmen könne. Denn im Bereich der Ermessensausgaben sind generell fünf Prozent einzusparen.

Die Kunst wird zunächst nicht betroffen sein. Da Schmied auch den Unterricht verantwortet, verfügt sie über einen recht großen Topf für Ermessensausgaben. Sie muss nur das eine oder andere Bauprojekt verschieben, um die Vorgabe zu erfüllen. Schmied hält sich daher zugute, ein "verlässlicher Partner" der Kunst zu sein. Die Situation der Kunstschaffenden ist ohnedies prekär genug: Die vom Kunstministerium in Auftrag gegebene und 2009 veröffentlichte Studie "Zur sozialen Lage der Künstler und Künstlerinnen in Österreich" zeichnete ein düsteres Bild.

Das mittlere Äquivalenzeinkommen (Pro-Kopf-Einkommen) betrug 1000 Euro pro Monat. Es lag damit deutlich unter jenem der Gesamtbevölkerung (1488 Euro) und nur knapp über der Armutsgefährdungsgrenze (893 Euro). Mehr als ein Drittel (37 Prozent) der Kunstschaffenden verfügte über ein Einkommen unter dieser Grenze. Die Armutsgefährdungsquote der Kunstschaffenden war damit dreimal so hoch wie in der Gesamtbevölkerung (12,6 Prozent) und fünfmal so groß wie jene der Erwerbstätigen insgesamt.

Seit der Veröffentlichung hat sich kaum etwas zum Besseren gewendet. Laut IG Kultur gibt es lediglich ein Künstlersozialversicherungsstrukturgesetz, das nicht geeignet sei, die soziale Lage spürbar zu verbessern, und ein Theaterarbeitsgesetz, das manche massiv benachteilige.  (Thomas Trenkler, Album, DER STANDARD, 10./11.3.2012)