Ist das Zufall? Seit Wochen wird intensiv über das Thema Korruption diskutiert, die Medien bringen fast täglich neue Details im Buwog- und Telekom-Skandal sowie zu den gefinkelten Anlagestrategien des ehemaligen Finanzministers Karl-Heinz Grasser. Just zu diesem Zeitpunkt macht Justizministerin Beatrix Karl den Vorschlag, die Diversion (Geldbuße statt Anklage) auch auf Korruptions- und Amtsmissbrauchsdelikte und sogar Geldwäsche auszuweiten - selbst wenn der Sachverhalt nicht geklärt ist. Salopp formuliert: Wer bestechen will, muss einfach nur ein bisschen etwas drauflegen, um sich freizukaufen.

Nach einem Sturm der Entrüstung zog die Ministerin diesen Vorschlag in der Vorwoche zurück und wartete mit einem Reformprojekt für die Strafprozessordnung auf, das erst recht für einen Aufschrei der Empörung sorgte: Das Vorhaben ist ein Eingriff in das Verschwiegenheitsrecht von Rechtsanwälten, Journalisten, Ärzten und anderen Berufsgruppen. Damit nicht genug: Das Justizministerium fügte diese gravierende Aushöhlung des geltenden Berufsgeheimnisses nachträglich in den Entwurf ein - nach der parlamentarischen Begutachtung.

Dies ist nicht nur eine Missachtung des Parlaments, sondern wirft weitere Fragen auf: Sollte der Eingriff bewusst verschleiert werden? Hat Karl den Einschub genehmigt? Oder ist er ihr selbst untergejubelt worden? In beiden Fällen ist der Leiter der Strafrechtssektion im Ministerium, Christian Pilnacek, der Autor der Gesetzesvorlagen.

Entweder waren der ÖVP-Politikerin die politischen Auswirkungen der Vorschläge nicht bewusst, oder die ehemalige Universitätsprofessorin für Sozial- und Arbeitsrecht hat die Entwürfe nicht gelesen. Oder sie hat diesen - nachträglich vorgenommenen - Eingriff in Berufsgeheimnisse bewusst angestrebt. In dem einen Fall ist sie naiv, im anderen überfordert - oder dreist.

Aber auch die SPÖ muss sich die Frage gefallen lassen, warum keinem ihrer Vertreter diese Änderungen aufgefallen sind, wenn die Entwürfe tatsächlich, wie vom Justizministerium behauptet, drei Mal vorgelegt worden sind. Was Verteidigungsminister Norbert Darabos befähigt, als " Spiegelminister" für das Justizressort zu fungieren, verdient eine weitere Diskussion. Den Rechtsanwälten ist zu verdanken, dass diese gravierenden Änderungen der Strafprozessordnung überhaupt aufgefallen sind.

Dass Karl und ihre Mitarbeiter genau wissen, was sie tun, zeigen andere Änderungen im Korruptionsstrafrecht. Das sogenannte Anfüttern von Politikern und Beamten soll auch künftig nur dann strafbar sein, wenn dahinter eine konkrete Absicht für ein bestimmtes Geschäft steht. Das hieße, man darf etwa einem Bürgermeister immer wieder Geschenke übermitteln für den Fall des Falles, dass man einmal etwas braucht. Nur in dem einen Fall, wenn man dann tatsächlich eine Baugenehmigung will, wäre es strafbar. Damit versucht Karl den Spagat, Unternehmen etwa Einladungen zu Festspielen weiter zu ermöglichen und gleichzeitig dem öffentlichen Druck nachzugeben, gegen Korruption schärfer vorzugehen. Schließlich sind Firmen gegen das 2008 verfügte Anfütterungsverbot Sturm gelaufen und haben eine Aufhebung erreicht.

Das Vorgehen der Justizministerin lässt den Verdacht zu, dass ihr die Beschränkung des Spielraums für Korruption nicht so ernst ist. Wohl aber die Aushebelung des Redaktions- und Anwaltsgeheimnisses. (Alexandra Föderl-Schmid, DER STANDARD, 10.3.2012)