Direktorin Agnes Husslein-Arco und Kunstministerin Claudia Schmied Freitagfrüh bei der Enthüllung der "Sonnenblume" im Belvedere.

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"Sonnenblume" (1907)

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"Familie" (1909/10)

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Wien - Bisweilen wird Geschichte nicht gemacht, sondern geerbt: Der 2010 verstorbene Sammler Peter Parzer hat dem Belvedere zwei Gemälde von Gustav Klimt vermacht. Dass die Museumsdirektorin Agnes Husslein damit in die Geschichte des Hauses eingehen wird, davon ist ihr Vize Alfred Weidinger überzeugt. Das Museum beschreibt die Neuzugänge als "bedeutendsten Sammlungszuwachs in der Geschichte der Zweiten Republik". "Ein Feiertag für die Kunst in Österreich", schwärmte Kulturministerin Claudia Schmied (SPÖ) bei der Präsentation der beiden Arbeiten am Freitag im Oberen Belvedere.

Konkret handelt es sich um die Werke "Sonnenblume" (1907) und "Familie" (1909/10). Nach den aus musealer Sicht einschneidenden Bestandsverlusten durch rund zehn Restitutionen (2006 unter anderem fünf Bilder an die Erben nach Bloch-Bauer, darunter die "Goldene Adele") wächst die weltweit größte Sammlung von Klimt-Gemälden auf nunmehr 24 Bilder an. Und glücklicherweise bereitet die Herkunft der Bilder dem Belvedere nur Freude: "Die Provenienz ist wunderbar", sagt Husslein. Der Großonkel von Peter Parzer, Oberbaurat Heinrich Mayer, soll eines der Bilder direkt bei Klimt, das andere bei Karl Wittgenstein erworben und sie später Parzers Vater vererbt haben. So kamen die Bilder in Familienbesitz. 

Über 50 Werke von Gerhart Frankl

Husslein stand bereits "seit Jahrzehnten" - also bereits in ihrer Zeit bei Sotheby's - in intensivem Kontakt mit Peter Parzer und baute das Naheverhätnis auf, das letztendlich zum Vermächtnis führte: Neben den Klimt-Gemälden umfasst dieses auch über 50 Werke von Gerhart Frankl sowie Hauptwerke von Georg Merkel, Herbert Boeckl, Tina Blau, Jean Egger, Oskar Laske und Kurt Moldovan. Parzer, ein einst im Export- und Versicherungsbereich tätiger Diplomkaufmann, kam nahezu täglich ins Belvedere - zum Plaudern und zur Kunstbetrachtung, erzählt Weidinger. Bereits seit langem habe sich der kinderlose Sammler mit dem Wunsch getragen, seine Kollektion der öffentlichen Hand zu vererben, bestätigt eine gute Bekannte des Stifters, Johanna Wagner. "Das Belvedere war dabei immer seine erste Wahl."

Vom Erbe weiß man im Museum freilich schon länger. Dass es zwei Vermächtnisse gab, zögerte die offizielle Abwicklung hinaus. Die beiden Testamente, erläuterte Wolfgang Peschorn von der Finanzprokurator des Bundes, stimmten aber darin überein, dass das Belvedere die Bilder bekommen soll. Auch das ist seit geraumer Zeit fix. Nun, wo "Sonnenblume" für eine Ausstellung nach Venedig reist, war für Husslein der geeignete Zeitpunkt gekommen, das Klimt-Geschenk öffentlich zu machen. Gemeinsam mit anderen Leihgaben des Belvedere (darunter "Judith", Klimts barbusige Femme fatale von 1901) ist es bis 8. Juli in der Schau "Gustav Klimt in the Sign of Hoffmann and the Secession" im Museo Correr zu sehen.

Die geradezu menschliche Dimension, die der "Sonnenblume" zukommt - Klimt bettet sie ähnlich wie die Frauenfiguren seiner Goldenen Periode in vegetabiles und mit Goldpunkten übersätes Ornament ein -, macht die Bedeutung des Gemäldes aus. Da die Sonnenblume aus dem gleichen Bauerngarten in Litzlberg stammt, in dem ein Jahr zuvor auch Emilie Flöge im Reformkleid posierte, hält man es für möglich, dass es sich bei dem Bild sogar um ein metaphorisches Porträt von Klimts Lebensmensch handelt.

Mehr Schiele als Klimt

Rein farblich sticht "Sonnenblume" (zuletzt in der Schau "Pioniere der Moderne" zu Klimt und Josef Hoffmann zu sehen) das dunkle Gemälde "Familie" zwar aus. Es zeigt eine Mutter mit zwei Kindern, schlafend, eingehüllt in einen dunklen, groben Umhang: Ihre blassen Gesichter scheinen geradezu über dem Dunkel des Stoffes zu schweben. Gewichtig macht das 1909 entstandene Gemälde aber seine Beziehung zum Werk von Egon Schiele. Der fast 30 Jahre jüngere Maler nahm sich ein Vorbild an diesen und anderen Kompositionen Klimts. Denn der Vorwurf, ein "Klimt-Kopist" zu sein, mit dem Schiele bei seiner ersten, öffentlich verrissenen Ausstellung 1909 konfrontiert wurde, kam nicht von ungefähr. Aus heutiger Sicht erinnert "Familie" mehr an Schiele als an Klimt. Auch das ist Geschichtsschreibung.

Die beiden Gemälde sind noch bis Sonntag, 18. März im Oberen Belvedere ausgestellt. Aber bereits ab 12. Juli gibt es ein Wiedersehen mit den beiden Neuen: Da startet die große Ausstellung "Meisterwerke im Fokus: 150 Jahre Gustav Klimt" im Oberen Belvedere. (Anne Katrin Feßler, derStandard.at, 9.3.2012)