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Bewegung ist dem Torrichter nicht verboten, er darf sogar ins Spielfeld hinein vorrücken.

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Enschede - "Jeder sieht, dass der über seine eigenen Beine fällt, aber da stehen drei Pappnasen draußen. Dazu gibt es noch einen Torrichter - ich weiß gar nicht, was der macht. Das ist wohl Beschäftigungstherapie. Das macht keinen Spaß, wenn man solche Amateure am Rand stehen hat. Und dann beschweren die sich noch, dass wir uns darüber aufregen." Also sprach Schalkes Sportdirektor Horst Heldt am Donnerstagabend nach der 0:1-Niederlage in der Europa League bei Twente Enschede. 

Ursprung seines Zorns war eine Fehlentscheidung von Schiedsrichter Craig Thomson in der 60. Minute. Der Schotte zeigte Joel Matip, dem Abwehrchef der Deutschen, nach einer vermeintlichen Notbremse gegen Luuk de Jong die Rote Karte und gab Elfmeter für Twente. Der Referee lag falsch, wie die Fensehbilder eindeutig bewiesen. Doch der Assistent an der Seitenlinie konnte oder wollte seinen Chef auch nach Rücksprache nicht korrigieren. Der Torrichter an der Grundlinie, den die UEFA derzeit in allen Spielen der Europa und Champions League testet, reagierte überhaupt nicht.

Doch dürfte oder sollte er das überhaupt? Der Torrichter, das rätselhafte Wesen. Sie werden offiziell als "Additional Assistant Referees" bezeichnet und sind auf jeder Seite des Spielfeldes auf Höhe der Torlinie positioniert. Nach Angaben der UEFA sollen sie in ersten Linie "zwei zusätzliche Augenpaare" zur Verfügung stellen und "den Schiedsrichter über alle Regelverstöße informieren, die dieser möglicherweise verpasst hat". In erster Linie gilt diese Unterstützung bei Aktionen in Strafraumnähe.

Entscheiden kann nur einer

Im Gegensatz zu den Schiedsrichter-Assistenten an der Längsseite, vormals Outwachler, zeigen die Torrichter ein Vergehen nicht mit einer Fahne an, sondern können über eine Funkverbindung Kontakt zum Schiedsrichter aufnehmen. Dabei stellt die UEFA klar, dass der Schiedsrichter "der einzige Offizielle auf dem Platz mit Entscheidungsgewalt" ist.

Die Torrichter dürfen unterstützend eingreifen, aber keine Entscheidungen des Hauptschiedsrichters eigenmächtig korrigieren. Allerdings können die Torrichter den Referee via Funk auf eine Fehlentscheidung hinweisen. Dieser kann nach Rücksprache mit dem Torrichter dann ganz regelkonform eine Elfmeterentscheidung zurücknehmen.

In erster Linie verharren Torrichter hinter der Torlinie, dürfen aber, um den Überblick zu behalten, bis in den Strafraum aufrücken, wenn sich das Geschehen auf der anderen Seite des Platzes abspielt. Es werden nur Torrichter mit der Nationalität des restlichen Schiedsrichter-Teams eingesetzt.

Im Griff. Oder nicht?

Bereits nach der ersten Testphase auf Profi-Niveau innerhalb der Europa League 2010/11 zog die UEFA ein positives Fazit. Demnach hätten die Torrichter "nicht nur mitgeholfen, Fehler des Schiedsrichters zu minimieren", sondern zudem "einen Einfluss auf das Verhalten der Spieler" gehabt.

UEFA-Präsident Michel Platini sagte Ende Februar im Interview mit der "Welt am Sonntag", dass man mit dieser Lösung "mittlerweile sehr zufrieden" sei. Es sei doch immer besser, "Menschen einzusetzen, die Situationen bewerten können - zum Beispiel bei einem Handspiel -, als komplizierte Technik zu installieren".

Heldt sah das am Donnerstag etwas anders: "Die Idee der UEFA war: noch zwei Schiedsrichter mehr, um die Situation besser in den Griff zu kriegen. Aber einen Scheißdreck kriegen die in den Griff, gar nichts!" (sid/red, 9.3.2012)