Eines jener Rado-Modelle, das derzeit offiziell auf der Baselworld (8. Bis 15. März) vorgestellt wird, ist der "Rado Hyperchrome Automatic Chronograph" aus schwarzer polierter Hightech-Keramik, Edelstahl und Kautschuk. Das Gehäuse ist bis zu 100 Meter wasserdicht, angetrieben wird der "Chronograph" von einem Eta-Automatikkaliber ("2894-2"). Zur Familie der Neuheiten gehört unter anderem auch die "HyperChrome Automatic" aus weißer polierter Keramik, Edelstahl, Kautschuk und mit goldfarbenen aufgesetzten Indexen und Zeigern.

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DER STANDARD: Woody Allen sagte einmal über die Zeit: "Die Ewigkeit dauert lange, besonders gegen Ende." Glauben Sie, dass er recht hat?

Matthias Breschan: Ich würde das nicht unterschreiben. Ich glaube, wenn man mit dem, was man tut, zufrieden ist, hat man immer und auch gegen Ende hin Spaß, das auch weiter zu tun.

DER STANDARD: Sie haben aber wahrscheinlich auch noch mehr Zeit als Woody Allen. Aber bleiben wir doch bei den Schauspielern: Manche Menschen tragen Taucheruhren, andere Fliegeruhren, und manche glauben, eine Rennfahreruhr mache sie zu einem Steve McQueen. Was will ich mit einer Uhr von Rado sein?

Breschan: Eine Uhr von uns steht für eine Affinität für innovatives Design und innovatives Material.

DER STANDARD: Dabei polarisiert Rado sehr stark. Es heißt, entweder man steht auf eine Rado oder man lehnt sie ab. Dazwischen gibt es nichts. Ist das ein Problem?

Breschan: Nein, das ist ein Riesenvorteil für eine Marke. Wenn Sie heute Produkte auf den Markt bringen, die jedem ein bisschen gefallen, ist die Auswahl unheimlich groß. Jene Kunden aber, denen dieser eine Stil gefällt, haben nicht viel Auswahlmöglichkeit. Je stärker eine Marke polarisiert, desto stärker ist auch ihre Identität.

DER STANDARD: Wie gehen Sie auf Neukunden, also Rado-"Ersttäter", zu?

Breschan: Als ich bei Rado anfing, war ich überrascht, wie viel Hightech sich in diesen Uhren befindet. Das ist eine beeindruckende Substanz zu einem, sagen wir einmal, demokratischen Preis. Das ist sicher etwas, was wir dem Kunden näherbringen müssen.

DER STANDARD: Sie beschreiben das Rado-Design als eines, das über Standards hinausgeht, das polarisieren und sich positionieren will. Ihre gerade vorgestellte Linie Hyperchrome ist aber wenig gewagt, eher ein Schritt zurück, oder?

Breschan: Mit dieser Uhr wollten wir ein Design auf zeitgerechte Weise zurückbringen, das bei Rado in den 1960er- und 1970er-Jahren eine tragende Rolle spielte. Jetzt schaffen wir diese Uhr auch mit unseren Hightech-Materialien. Wir wollen mit dieser modernen Version auch ein jüngeres Klientel ansprechen. Zusätzlich zu unserer loyalen und traditionellen Kundschaft brauchen wir auch jüngere Kunden, um dann wieder mit aggressiven Hammeruhren auf den Markt zu kommen. In Basel wird man bei der Präsentation einer weiteren Linie sehen, dass Rado überhaupt nicht daran denkt, brav zu werden.

DER STANDARD: Mit Retroelementen ein jüngeres Publikum anzusprechen klingt irgendwie widersprüchlich.

Breschan: Vintage ist im Moment generell sehr in. Vielleicht halten sich Leute in Zeiten, die nicht ganz so sicher sind, auch gern an Wurzeln fest. Man nimmt etwas aus der Geschichte, für das es Glaubwürdigkeit gibt, und bringt es in neuem Gewand und Technologie zurück.

DER STANDARD: Apropos Geschichte: Rado war die erste westliche Marke, die in China ein Zeitungsinserat geschaltet hat. Das war 1979. Wie kam es dazu?

Breschan: Wir waren auch die erste Uhrenmarke, die ein chinesisches Fernsehprogramm gesponsert haben, das "Rado School Quiz". Gerade weil wir ein verhältnismäßig junges Unternehmen sind (1957 gegründet, Anm.), haben wir uns auch sehr früh um die asiatischen Märkte und jene im Mittleren Osten gekümmert. Das war schon Ende der 1950er-Jahre so. Andere Schweizer Uhrenmarken haben damals ausschließlich auf Europa und die USA geschaut. Das ist natürlich jetzt, da sich diese Märkte so rasch entwickeln, eine Superbasis für uns.

DER STANDARD: Wenn man sich die Zuwachszahlen in der Uhrenbranche ansieht, könnte man den Eindruck bekommen, dass ihr die neuerliche Wirtschafts- beziehungsweise die Schuldenkrise der EU nicht wirklich an die Nieren geht.

Breschan: Betreffend Verkaufszahlen haben wir davon wirklich nichts gespürt. Ich denke aber, wir sollten sehr vorsichtig sein, weil eine europäische Krise international ansteckt und das auch die asiatischen Märkte irgendwann zu spüren bekommen. Wir haben in der Swatch Group, zu der ja auch Rado gehört, einen Riesenvorteil, weil wir in allen Segmenten präsent sind. Aber es ist richtig, die Uhrenindustrie ist nach wie vor in einer äußerst glücklichen Situation. Vor allem aufgrund der Affinität asiatischer Kunden für Uhren.

DER STANDARD: Rolls-Royce zum Beispiel hat aber sogar in England um mehr als 20 Prozent zugelegt.

Breschan: Ganz ehrlich gesagt, ist das schon ein bisschen komisch. Auch wir haben Europa sehr gute Zuwächse.

DER STANDARD: Sie interessieren sich sehr für zeitgenössische Kunst. Was hat die Beschäftigung mit Zeit beziehungsweise Uhren mit der Kunst gemeinsam?

Breschan: Kunst hat für mich immer eine kritische Betrachtungsweise beizubehalten. Es geht darum, nicht zu verharren, sich nicht mit dem Status zufriedenzugeben und einzuschlafen. Es geht um Erneuerung, ums Ausprobieren, natürlich auch darum, Risiken auf sich zu nehmen. Und das gilt auch für uns, gerade, was das Design betrifft.

DER STANDARD: Zum Abschied noch ein Zitat: "Zeit ist das, was man an der Uhr abliest."

Breschan: Das stimmt nicht.

DER STANDARD: Sie widersprechen Albert Einstein.

Breschan: Zu seiner Zeit war die Uhr ein rein technisches Instrument, das eine technische Funktion gehabt hat. Klar lesen wir heute auch noch die Zeit von einer Uhr ab, gleichzeitig ist eine Uhr aber auch viel mehr geworden.

DER STANDARD: Doch noch eine letzte Frage: Was wäre die perfekte Uhr?

Breschan: Die wird es nie geben. Hätten wir sie, dann würden wir nicht mehr daran denken, etwas Neues zu schaffen.

(Michael Hausenblas, Rondo, DER STANDARD, 09.03.2012)