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Verglichen mit der Katastrophe von Tschernobyl ist der japanische Atomunfall von Fukushima harmloser ausgefallen. So wurde in Japan etwa ein Siebentel bis ein Fünftel der Spaltproduktaktivität an die Umwelt abgegeben, als dies bei der bisher größten Kernkatastrophe im Jahr 1986 geschehen war. Dennoch hat auch hier die Natur schwere Schäden davon getragen.

Foto: APA/ EPA/KIMIMASA MAYAMA

Nukleare Reaktorkatastrophen haben offenbar gravierendere und weit schwieriger absehbare Auswirkungen auf die Ökosysteme, als bisher angenommen. Zum Jahrestag des verheerenden Unglücks im japanischen Fukushima haben deutsche Forscher eine neue Debatte über mögliche Langzeitschäden von Störfällen und Unfällen in atomaren Anlagen angeregt. Das Forscherteam um Henrik von Wehrden von der Leuphana Universität Lüneburg stützt sich bei seinen Erkenntnissen auf die Auswertung von mehr als 500 Studien über die Auswirkungen des Super GAUs von Tschernobyl.

Dort war vor 25 Jahren bei der Simulation eines Stromausfalls die Explosion eines Reaktors ausgelöst worden. Zunächst stellen die Wissenschafter fest, dass man trotz der Datenfülle noch immer nur recht wenig darüber weiß, was die Strahlung langfristig in den Ökosystemen anrichtet. Die Autoren, deren Studie im Fachjournal "Conservation Letters" erschienen ist, fordern daher, nach dem Fukushima-Unglück die Forschungsanstrengungen besser zu koordinieren.

Ein Viertel Jahrhundert ist seit dem bislang gravierendsten Atomunglück von Tschernobyl vergangen. Und noch immer sind in Südengland einige Wiesen für die Viehhaltung gesperrt, noch immer dürfen in Finnland mancherorts keine Fische gezüchtet werden. Ein Grund dafür ist die Langlebigkeit der Radionuklide, die bei dem Super-GAU 1986 freigesetzt wurden. Dazu zählen vor allem Caesium-137 (Halbwertszeit: 31 Jahre) und Strontium-90 (29 Jahre). Diese beiden radioaktiven Isotope sind also noch nicht einmal zur Hälfte zerfallen. Sie sorgen in manchen Regionen bis heute für eine erhebliche Strahlenbelastung.

So wurden im Jahr 2009 in südschwedischen Pilzen Werte von 180.000 Bequerel pro Kilogramm gemessen - der zulässige Grenzwert in Deutschland liegt für Nahrungsmittel bei 600 Bequerel pro Kilogramm. Selbst in 2.000 Kilometern Entfernung vom Unglücksort gibt es bis heute zum Teil erhebliche Strahlenbelastungen; in Deutschland beispielsweise haben Forscher 2009 stark erhöhte Werte in Wildfleisch festgestellt.

Schwerwiegende Folgen

Welche Konsequenzen die Strahlenbelastung für die Ökosysteme hat, sei bis heute nur unzureichend bekannt, kritisiert der von Wehrden. "Es hat sich aber gezeigt, dass selbst geringe Strahlendosen Pflanzen und Tiere schädigen können", sagt der Ökologe. "Wir wissen heute etwa, dass Ratten ihr Schlafverhalten ändern, wenn sie radioaktives Wasser trinken - und das schon bei einer Belastung von 400 Bequerel pro Liter. Und in Zwiebeln hat man bei ähnlichen Strahlendosen Chromosomen-Schädigungen festgestellt." Direkt um Tschernobyl sei die Radioaktivität übrigens so stark gewesen, dass dort ein ganzes Waldgebiet abgestorben sei. Zudem seien dort die Mutationsraten in Fischen und Vögeln zum Teil drastisch angestiegen. Bei manchen Vögeln habe man auch ein verkleinertes Gehirnvolumen festgestellt. "Welche Folgen das haben wird, bleibt abzuwarten." (red)