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Für Griechenland geht es wieder einmal um Geld. Die Zustimmung der Privatgläubiger ist notwendig, damit die EU-Hilfen fließen.

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Die Schuldenschnitt-Schere hat sich in Athen schon als Werbesujet durchgesetzt.

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Bis Donnerstagabend haben die Privatgläubiger Griechenlands Zeit, einem Schuldenschnitt zuzustimmen. Warum die Ratingagenturen Griechenland dennoch auf Default setzen werden und welche Optionen die Investoren haben, erklärt RBI-Analystin Julia Neudorfer im derStandard.at-Interview.

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derStandard.at: Derzeit wird heftig darüber spekuliert, ob sich die Gläubiger freiwillig in ausreichendem Ausmaß am Schuldenschnitt beteiligen werden. Wie schätzen Sie die Lage ein?

Julia Neudorfer: Die griechische Regierung peilt eine Beteiligung am Tauschangebot von mindestens 90 Prozent an. Fällt die Zustimmung geringer aus, behält sie sich die Aktivierung von sogenannten CACs (Collective Action Clauses oder Umschuldungsklauseln, Anm.) vor. Damit würde die Umschuldung zwingend alle Anleihengläubiger erfassen. Als absolute Mindestgrenze für die Teilnahmequote gelten 50 Prozent, wobei von diesen wiederum zwei Drittel der rückwirkenden Einfügung der Umschuldungsklauseln zustimmen müssen.

derStandard.at: Was passiert, wenn diese Mindestzustimmungsquoten nicht erreicht werden?

Neudorfer: Werden diese Schwellen nicht erreicht, kann Griechenland die Umschuldungsklauseln nicht rückwirkend einfügen. Der Schuldentausch würde dann aufgrund der zu geringen Beteiligungsquote scheitern.

derStandard.at: Welche Optionen hatte man als Investor?

Neudorfer: Als Investor hatte man drei Optionen. Man konnte dem Schuldentausch zustimmen und billigte damit gleichzeitig auch die rückwirkende Einfügung der Umschuldungsklauseln. Man konnte das Umtauschangebot ablehnen, aber den Änderungen der Anleihenbedingungen zustimmen. Und man konnte sowohl das Umschuldungsangebot als auch die Einführung von CACs ablehnen. Fakt ist, die Griechen brauchen 66 Prozent, die den CACs zustimmen. Mit diesen können sie dann, wenn die Beteiligungsquote zu niedrig ausfällt, den Schuldenumtausch zwingend auch auf jene Investoren ausweiten, die das Angebot abgelehnt oder sich enthalten haben.

derStandard.at: Am Markt hat sich die Stimmung zuletzt gedreht. Vor allem Fondsmanager und Vermögensverwalter fürchten Klagen ihrer Kunden, wenn sie auf die Erträge aus den griechischen Staatsanleihen einfach verzichten. Halten Sie das für realistisch?

Neudorfer: Es ist durchaus möglich, dass dem Schuldentausch Klagen folgen könnten. Beispielsweise wird am Markt diskutiert, ob der Anleihentausch mit den Nationalbanken und mit der EZB, der ja schon über die Bühne gegangen ist, rechtlich anfechtbar ist. Das Argument: Die Gleichheit der Anleiheninvestoren sei damit nicht mehr gegeben, da die neuen griechischen Anleihen der Zentralbanken auch von einer etwaigen erzwungenen Schuldenumstrukturierung nicht erfasst werden. Inwieweit das einklagbar ist, wenn die CACs im Nachhinein ausgelöst werden, muss wohl ein Rechtsexperte einschätzen.

derStandard.at: Von welchem Szenario geht man in Ihrem Haus aus?

Neudorfer: Wir halten es für wahrscheinlich, dass die nötige Zustimmungsquote für die Billigung der Umschuldungsklauseln erreicht, die anvisierte Teilnahmequote von mindestens 90 Prozent aber verfehlt wird. Dementsprechend dürften die Umschuldungsklauseln von der griechischen Regierung aktiviert werden. Als Folge dessen werden auch jene Anleiheninhaber, die dem Tauschangebot nicht zugestimmt oder sich enthalten haben, voll von der Umschuldung erfasst. Gläubiger, die dem Schuldentausch "freiwillig" zugestimmt haben, und jene, welche durch Einführung der CACs dazu gezwungen wurden, dürften voraussichtlich gleich behandelt werden.

derStandard.at: Nicht in Fachtermini gesprochen heißt das, Sie gehen davon aus, dass man die Sache mit Müh und Not über die Bühne bringt?

Neudorfer: So ist es. Wir glauben, dass der Schuldentausch, wenn auch voraussichtlich mit einer erzwungenen Teilnahme aller Investoren, über die Bühne gehen wird. In der Folge ist es dann auch wahrscheinlich, dass die CDS, also die Kreditausfallhaftungen, schlagend werden dürften.

derStandard.at: Diese Kreditausfallversicherungen (CDS) auf Griechenland-Anleihen haben die Banken und Versicherer sowohl begeben als auch gekauft. Nun weiß niemand, wer diese CDS hat. Was ist da zu befürchten?

Neudorfer: Das ist sicher ein Restrisiko, weil hier nicht gänzliche Transparenz herrscht, wo diese CDS liegen. Hier wird es tatsächlich durch das Schlagendwerden der Kreditausfallversicherungen noch bei der einen oder anderen Bank Verluste geben.

derStandard.at: Mit einer ungeordneten Pleite Griechenlands rechnen Sie nicht?

Neudorfer: Ungeordnet würde für uns bedeuten, dass die EU-Hilfszahlungen, die man ja auch braucht, um diesen Schuldenumtausch über die Bühne zu bringen, nicht fließen würden. In dem Augenblick, wo die Umschuldung erfolgreich über die Bühne geht, wird die EU die Hilfszahlungen fortsetzen. Das Szenario - Griechenland auf sich alleine gestellt = ungeordnete Pleite - ist damit unmittelbar abgewendet. Also nein, mit einer ungeordneten Pleite rechnen wir nicht.

derStandard.at: Welche Reaktionen sind noch von den Ratingagenturen zu erwarten und mit welchen Folgen?

Neudorfer: S&P hat Griechenland schon auf Selective Default gesetzt. Die Ratingagenturen haben da eine andere Definition als etwa der Derivateverband, der dann darüber entscheidet, ob die CDS schlagend werden. Da ist die Freiwilligkeit nicht das Hauptelement. Allein die Tatsache, dass für einen Großteil der Investoren durch die Umschuldung erhebliche Verluste bestehen, reicht für die Ratingagentur aus, um diese nicht mehr als freiwillig zu werten.

derStandard.at: Von weiteren Abstufungen auf Default ist also kein großer Schock mehr zu erwarten?

Neudorfer: Nein. Wie gesagt: Das Restrisiko, das bleibt, sind die CDS. Was die Ratingagenturen betrifft, ist es so gut wie fix, dass auch die übrigen zwei Griechenland noch auf Default, also auf Zahlungsausfall herunterstufen. Die einzige Sorge, die man noch Ende des letzten Jahres gehabt hat, war, dass die EZB die Griechenland-Anleihen bei einem Default-Rating nicht mehr zur Besicherung heranziehen darf. Das benötigen aber die griechischen Banken, um die nötige Liquidität von der EZB zu bekommen. Hier hat man aber schon eine Lösung gefunden, indem man in diesem zweiten Hilfspaket auch ein gewisses Volumen als Besicherung für die EZB vorgemerkt hat, dass diese auch in dieser Übergangszeit, in der die griechischen Anleihen auf Default geratet sind, die Bonds als Sicherheit akzeptieren kann.

derStandard.at: Wenn dann der Schuldenumtausch vollzogen ist, gibt es eine Hochstufung?

Neudorfer: So haben das die Ratingagenturen angekündigt. Viel kann man sich nicht erwarten, aber eine Hochstufung um wenige Stufen ist schon relativ zeitnah nach der erfolgten Umschuldung wahrscheinlich.

derStandard.at: Sollte der Schuldenschnitt noch auf den letzten Metern scheitern, könnte das eine Lawine von einer Billion Euro an Folgekosten nach sich ziehen, warnte jüngst der Internationale Bankenverband. Ist die Summe überzogen?

Neudorfer: Hier eine genaue Summe der möglichen Folgekosten zu nennen ist wohl sehr gewagt, denn man kann das nicht seriös schätzen. (Regina Bruckner, derStandard.at, 8.3.2012)