Die EU-Kommission hat am Mittwoch weitergehende Schritte in Zusammenhang mit den drei seit Mitte Jänner laufenden Verfahren gegen Ungarn wegen möglicher Verletzung der EU-Verträge beschlossen. Im Fall der bedrohten Unabhängigkeit der Justiz durch Frühpensionierung von Richtern durch die Regierung in Budapest wurde die zweite Verfahrensstufe eingeleitet. In einer "begründeten Stellungnahme" verlangt die Kommission Änderungen. Der Sprung der Herabsetzung des Pensionsalters von 67 auf 62 ist ihr zu groß, die Übergangsfrist von nur einem Jahr zu kurz.

Kommt die Regierung von Premierminister Viktor Orbán den Aufforderungen innerhalb einer zudem verschärften Frist von einem Monat nicht nach, folgt Klage beim EU-Höchstgericht in Luxemburg. Dasselbe gilt für das zweite Verfahren, in dem die Unabhängigkeit der Datenschutzbehörde eingefordert wird.

Davon, dass die Kommission im bisherigen Verlauf seit 17. Jänner angeblich "90 Prozent der Antworten akzeptiert" habe, wie die Regierung in Budapest behauptet, kann also keine Rede sein. Auch im dritten Verfahren, das sich gegen den Versuch Orbáns richtet, die Unabhängigkeit der ungarischen Notenbank zu unterlaufen, gibt es keine wirkliche Entspannung. Zwar wurde die zweite Stufe nicht eingeleitet. Brüssel hat aber weiter offene Fragen in Sachen Notenbankgouverneur. Bis das alles nicht geklärt ist, blockiert die Kommission weiter Finanzhilfe für Ungarn. Orbán braucht von EU und IWF 20 Milliarden Euro. (DER STANDARD, Printausgabe, 8.3.2012)