Wien - In den Fensterrahmen stecken noch kleine Glaszacken. Die Wände sind mit bunten Grafitti besprüht. "Gier", hat jemand auf eine rostige Stahltür gesprayt. Seit 16 Jahren steht die frühere Zementfabrik von Lafarge Perlmooser an der Kaltenleutgebener Straße in Liesing leer. Auf den Hängen rund um die wuchtigen grauen Gebäude aus 1896 haben sich seltene Salamanderarten eingenistet. Die Tiere sollen bald umgesiedelt werden, denn Mitte 2012 rollen hier die Bagger an.
Die Waldmühle Rodaun GmbH errichtet dort - wie berichtet - 450 Wohnungen. Gesamtkosten: 95 Millionen Euro. Großteils sollen Einheiten mit je drei bis vier Zimmern entstehen, wie die Geschäftsführer der GmbH, Gerald Parzer und Norbert Wieczorek, am Mittwoch bei einem Hintergrundgespräch verrieten. Auch eine Garage mit rund 600 Stellplätzen ist vorgesehen. Ende 2015 sollen die Häuser auf dem 128.000 Quadratmeter großen Areal, von dem ein Achtel verbaut wird, fertig sein.
Problempunkt Verkehr
Die durch das Projekt befürchtete Verkehrszunahme sorgt für einigen Unmut. Seit Jahren staut es sich zur Hauptverkehrszeit auf der Kaltenleutgebener Straße. Die Ideen zur Lösung des Problems reichen von einer Nutzung der Kaltenleutgebener Bahn für Personenverkehr bis zu einer Busspur auf der Zugtrasse - eine Lösung, die auch die Bezirksvertretung Liesing forciert.
Geplant ist bisher aber nur der Umbau von vier Kreuzungen. Daran beteiligen sich auch die Bauherren finanziell, mehr Geld werde von ihnen aber nicht in Verkehrslösungen fließen, sagte Parzer am Mittwoch: "Wir sind gemeinnützig, sämtliche Kosten schlagen sich in der Miete nieder." Man bringe sich gerne ein, aber im Grunde sei der Verkehr Aufgabe der Stadt, man bewege sich mit 450 Wohnungen sowieso schon an der Grenze der Wirtschaftlichkeit. Hintergrund: Gemäß des beschlossenen Widmungsplans hätten auch 700 Einheiten Platz.
Das Baukonsortium aus vier gemeinnützigen Wohnbaugesellschaften wirbt damit, leistbaren Wohnraum zu schaffen - die Miete soll bei einem Baukostenbeitrag von 150 Euro/m2 bei 6,10 Euro/m2 liegen. Das Projekt ist Teil der Wiener Wohnbauinitiative, in deren Rahmen die Stadt günstige Darlehen vergab - in diesem Fall in Höhe von 30 Millionen Euro. Bevor gebaut werden kann, muss erst die alte Fabrik verschwinden: Rund 200.000 Tonnen Schutt. Ein Großteil des Materials soll vor Ort aufbereitet und dort wiederverwendet werden, etwa für den Wegebau. Mit rund 10.000 Lkw-Fahrten sei dann noch zu rechnen, sagt Parzer. Hinzu kommt, dass ein Teil des Erdreichs abgetragen und zu Deponien transportiert werden muss. Wie viele Lastwagenfuhren dabei anfallen, sei noch unklar. (Gudrun Springer, DER STANDARD, Printausgabe 8.3.2012)