Über 300 Lehrberufe - und Mädchen wählen am liebsten Bürokauffrau und Friseurin. Ein paar Hundert Studienfächer - und trotzdem machen oft Medizin, Jus, Publizistik oder Psychologie das Rennen.

Vermutlich sind es die Lebensumfelder, die Vorbilder und die kolportierten Aussichten auf Zufriedenheit (sei es in puncto Einkommen oder in puncto Lebensausrichtung), die einen in die jeweilige Ausbildungsrichtung treiben. Das ist für Personalberater Othmar Hill gar nicht gut - zumindest nicht ausreichend. Er bemüht bezüglich der Berufs- und Studienentscheidung sogar das schwere Wort der "schicksalhaften Entscheidung". Und diese müsse außerordentlich gut geprüft werden. "Gut informiert zu sein ist wichtig, um nicht aus Unkenntnis in eine Sackgasse zu geraten. Ausschlaggebend für die Entscheidung sollte aber auf jeden Fall die Übereinstimmung mit der eigenen Persönlichkeit sein", bleibt Friedrich Moshammer vom Arbeitsmarktservice Österreich (AMS) etwas sachlicher.

In wirtschaftlich schwierigen Zeiten gelte allerdings den Aussichten auf dem Arbeitsmarkt besondere Aufmerksamkeit, so der Arbeitsmarktexperte. Beispiele für aussichtsreiche Bereiche sind demnach Informationstechnik, Controlling, Marketing und Verkauf. Andererseits bringe die Alterung der Gesellschaft Beschäftigungschancen im Gesundheits- und Sozialwesen. Und das Umweltministerium wird derzeit nicht müde, mannig-faltige Chancen im Bereich der Green Jobs und deren vorgelagerte Ausbildungswege anzupreisen (www.klimaaktiv.at).

Online-Selbsttest

Hill empfiehlt gemeinsam mit dem AMS einen Online-Selbsttest für alle, die sich unter Druck fühlen, sich entscheiden zu müssen, und für alle, die bis jetzt noch nicht weiter gekommen sind als bis zu dem, was Mama und Papa beruflich so machen: Der Studienkompass (www.studienkompass.co.at) ist ein kostenfreies Online-Tool, das Userinnen und Usern Impulse für die Orientierung am akademischen Arbeitsmarkt gibt und damit in weiterer Folge die Auswahl einer geeigneten Studienrichtung unterstützt. Mittels Fragebogen werden relevante personenbezogene Merkmale erfasst, die für die Zuordnung von Berufen zu Personen als besonders geeignet erscheinen.

Die Bearbeitungsdauer dieses Fragebogens beträgt ca. 15 Minuten, in denen 87 Fragen zu beantworten sind. Danach erfolgt die Ermittlung der passenden Berufe aus einem Pool von ca. 100 akademischen Berufen, welche mittels Expertenratings ausgewählt und entsprechend charakterisiert wurden.

Im Rahmen dieses Matching-Prozesses werden die Anforderungen jedes einzelnen Berufes mit dem persönlichen Profil der User verglichen.Ali Mahlodji, Gründer von Whatchado.net, hatte mit 14 Jahren das gleiche Problem wie so viele Jugendliche: Er hatte keine Ahnung, was er beruflich machen sollte. Schon damals hätte er sich eine Art Handbuch für Berufe gewünscht. Knapp 16 Jahre und 40 Jobs später hat sich Mahlodji diesen Wunsch selbst erfüllt: Er gründete Whatchado.net.

300 Videos

In derzeit knapp 300 Videos erklären berufstätige Menschen, welche Jobs sie haben und wie sie das geworden sind, was sie sind. Dabei werden allen die gleichen sieben Fragen gestellt - zum Beispiel: "Was ist das Coolste an deinem Job?" und "Drei Ratschläge für dein 14-jähriges Ich?"Langfristiges Ziel ist, dass jeder Beruf zumindest in einem Video erklärt wird. Mit dabei sind ZiB 2-Moderator Armin Wolf, Schauspieler Roland Düringer, Fußballer Steffen Hofmann und Albertina-Direktor Klaus Schröder. Aber auch Sozialarbeiter und Lehrlinge erklären, wie sie zu ihrem Job gekommen sind.

Ziel sei, dass die Jugendlichen einen Eindruck von den Berufen bekommen. "Wenn Menschen persönlich von ihrem Beruf erzählen, bringt das viel mehr als jede Information", ist Mahlodji überzeugt.

Kritik an AMS-Seiten

Über die Website sollen Jugendliche herausfinden können, wo ihre Stärken und Interessen liegen. Derzeit können die jungen Menschen 19 Fragen beantworten und bekommen dann jenen Beruf vorgeschlagen, bei dem es am meisten Übereinstimmungen gibt. Kritisch sieht Mahlodji die Informationsseiten des Arbeitsmarktservice (AMS). Es gebe zwar sehr viele Informationen darauf, allerdings seien diese sehr schlecht aufbereitet. Viele seien von dem Informationsüberfluss auf den AMS-Seiten schlicht überfordert. (Karin Bauer, DER STANDARD, Printausgabe, 7.3.2012)