Am 28. Februar passierte eine Novelle zur Strafprozessordnung den Ministerrat. Zuvor gab es bis 7. Februar eine Begutachtungsfrist. In diesen drei Wochen wurde der Vorschlag der Novellierung in wesentlichen Punkten geändert. Wie der Österreichische Rechtsanwaltskammertag in einer Aussendung mitteilte, sollen in der neuen Strafprozessordnung gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, "unter denen Redaktionsgeheimnis, anwaltliche Verschwiegenheit und eine Reihe weiterer gesetzlich geregelter Verschwiegenheitspflichten und -rechte problemlos von der Staatsanwaltschaft ausgehebelt werden können". Diese "Rahmenbedingungen" seien nach der Begutachtung geschaffen worden.

In den Änderungen der Strafprozessordnung geht es um die Sicherstellung von schriftlichen Aufzeichnungen und Datenträgern bei Personen, die im Interesse anderer Personen die Daten verschwiegen behandeln. Konkret betroffen sind neben Anwälten, Notaren, Steuerberatern und Ärzten auch Journalisten. Laut einem Vorabbericht des Magazins "News" soll dies schlagend werden, wenn eine Person aus den genannten Berufsgruppen als Beschuldigter geführt wird.

Der Sicherstellung von Aufzeichnungen und Datenträgern kann in Zukunft nicht mehr widersprochen werden. Dabei soll nicht wie bisher ein Richter einbezogen werden müssen, sondern die Staatsanwaltschaft entscheidet selbst und unter Beiziehung "geeigneter Hilfskräfte", welche Aktenteile dem Ermittlungsakt hinzuzufügen sind.

"Nicht Ungarn, sondern Aserbaidschan"

Rupert Wolff, Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags, kritisiert die geplanten Änderungen und die Vorgangsweise in der Presseinformation scharf: "Das ist eine demokratiepolitische Farce!"

Wolff weiter: "Es ist bedenklich, eine so gravierende Bestimmung nicht mit den betroffenen Berufen zu diskutieren, sondern am Begutachtungsverfahren vorbeizuschleusen." Gegenüber "News" findet Wolff drastische Worte zu den Plänen von Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP): "Das ist nicht Ungarn, das ist Aserbaidschan."

Wolff vermutet auch, dass es einen Zusammenhang zwischen der Veröffentlichung der Telekom-E-Mails durch "News" und der nachträglichen Änderung des Gesetzes gibt. "Sollten die Regierungsparteien im Parlament dieses Gesetz nun einfach durchwinken, wäre der Skandal perfekt. Wenn wir in Österreich noch einen Funken politischen Anstand besitzen, muss das Parlament diesen Gesetzesentwurf ablehnen", fordert Wolff die Parlamentarier auf. 

Justizministerium weist Vorwürfe zurück

Das Justizministerium lässt die Kritik an der geplanten Änderung des Strafprozessordnung nicht gelten. "Der Entwurf ist auf ganz normalem Weg begutachtet worden. Niemand hat was vorbeigeschummelt", erklärte Sektionschef Christian Pilnacek der APA.

Wie Pilnacek betonte, sei weder an eine Einschränkung des Redaktionsgeheimnisses noch an einen Eingriff in die berufliche Verschwiegenheitspflicht gedacht. "Wie schon bisher kann ein Staatsanwalt nicht ohne gerichtliche Bewilligung in eine Anwaltskanzlei oder Redaktionsräumlichkeiten hinein. Der Entwurf ändert nichts daran. Laut StPO können bei verdächtigen Anwälten, Steuerberatern oder Notaren Unterlagen nur bei besonders dringendem Tatverdacht beschlagnahmt werden."

Karl: "Normales Prozedere"

Laut einer Aussendung bestätigt Justizministerin Karl, dass in Zukunft die Staatsanwaltschaft prüft, welche Unterlagen verwendet werden dürfen. Erst bei einer Beschwerde des Betroffenen wird ein Richter hinzugezogen, die Betroffenen dürfen dann in einer 14 Tage andauernden Frist jene Teile der Akten benennen , deren Offenlegung eine Umgeheung der Verschwiegenheitspflicht bedeuten würde. Der Österreichische Rechtsanwaltstag befürchtet aber, dass dies in der Praxis nicht möglich sein wird.

"Mir ist es wichtig, dass das Berufsgeheimnis bestmöglich geschützt wird. Bei der an mich herangetragenen Kritik wird übersehen, dass der grundsätzliche Rechtschutz nicht geschwächt, sondern durch zweimalige Absicherung doppelt gestärkt werden soll", so die Justizministerin in der Aussendung. "Auf keinen Fall ist hier etwas still und heimlich passiert - im Zuge der Begutachtung hat sich anhand der Stellungnahmen Änderungsbedarf gezeigt - und dem sind wir nachgekommen. Das ist das normale Prozedere in Begutachtungsverfahren", sagt Beatrix Karl. (red, derStandard.at, 7.3.2012)