Bern - Der Schweizer Nationalrat will nichts wissen von staatlicher Presseförderung. Die Abgeordneten haben am Mittwoch in Bern eine Initiative der Staatspolitischen Kommission abgelehnt. Diese wollte den Bundesrat (Regierung) beauftragen, dem Parlament rasch Vorschläge für neue Modelle zur Presseförderung vorzulegen. Die Kommission sieht die demokratiepolitischen Funktionen der Medien "zunehmend in Frage gestellt". Sie wollte deshalb den Bundesrat verpflichten, innerhalb von zwei Jahren ein Förderkonzept und den Entwurf rechtlicher Grundlagen für die indirekte und direkte Medienförderung vorzulegen.

Zeitungssterben

Die Befürworter verwiesen auf das Zeitungssterben. Im Jahr 2000 habe es 45 unabhängige Zeitungen gegeben. Heute seien es noch 32, sagte der Sozialdemokrat Andreas Gross im Namen der Kommission. Das entspreche einem Rückgang von 25 Prozent in zehn Jahren. Nun müsse gehandelt werden. Gegen die Motion stellten sich die Fraktionen der Schweizerischen Volkspartei (SVP) und der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP). Der Rat lehnte die Motion schließlich mit 88 zu 77 Stimmen bei 8 Enthaltungen ab. Zu einem Nein aufgerufen hatte auch der Verband der Schweizer Presse.

Strukturwandel

Der Bundesrat stellte sich ebenfalls gegen das Anliegen. Derzeit sei ein großer Strukturwandel in Gang, sagte die für Medienwesen zuständige Verkehrs- und Energieministerin Doris Leuthard mit Verweis auf das Internet. Die Branche suche nach Geschäftsmodellen. Der Bundesrat erachte es nicht als sinnvoll, in diesem Prozess der Neuorientierung zu intervenieren. Staatliche Eingriffe seien nur zu erwägen, wenn die Branche Probleme nicht selbst lösen könne, befand Leuthard. In Frage kämen etwa die staatliche Förderung der Aus- und Weiterbildung von Journalistinnen und Journalisten oder Erleichterungen bei der Mehrwertsteuer. "Je nach Entwicklung" wehre sich der Bundesrat auch nicht gegen eine Verfassungsbestimmung. Es müsste allerdings klar definiert werden, was die Interessen der Allgemeinheit seien, gab die Ministerin zu bedenken.

Standortbestimmung

Die Regierung möchte 2015 eine neue Standortbestimmung vornehmen. Sollte sich dann zeigen, dass die Anstrengungen der Medien nicht ausreichten, um die aus staats- und demokratiepolitischer Sicht notwendigen Leistungen zu sichern, will der Bundesrat zusätzliche Fördermaßnahmen erwägen. Für eine direkte Presseförderung wäre eine Verfassungsänderung nötig. Heute werden die Schweizer Medien ausschließlich mit indirekten Maßnahmen gefördert. Zum einen profitieren Zeitungen von einer verbilligten Postzustellung, zum anderen von einem Sondersatz bei der Mehrwertsteuer. In der zweiten Jahreshälfte will der Bundesrat eine revidierte Verordnung zu dieser indirekten Förderung vorlegen. Es werde sich nicht um eine "Revolution" handeln, sagte Leuthard. Die bisherigen Regeln hätten sich bewährt. (APA)