Die Künstlerin Ulrike Lienbacher wohnt am Volkertplatz im zweiten Bezirk. Die Umgebung ist ihr mindestens so wichtig wie die Wohnung, erfuhr Michael Hausenblas.
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"Es ist eher der etwas rauere Teil des zweiten Bezirks, in dem ich zu Hause bin, nicht der, den man gleich mit Boboville verbindet. Man könnte sagen, die Grenze zum hipperen Teil markiert die Heinestraße etwas weiter unten.
Die Wohnung, die ich 1997 mit meinem Partner, dem Fotografen Rainer Iglar, gekauft habe, liegt hoch über dem Volkertplatz. Bei Sonnenschein ist es manchmal so hell, dass ich die Jalousien herunterlassen muss. Vom Fauteuil aus sehe ich nur Himmel. Das ist, als wäre ich auf einem Hochplateau.
Die Wohnung misst insgesamt 140 Quadratmeter. Bevor wir einziehen konnten, haben wir die drei kleinen Zimmer-Küche-Kabinett-Wohnungen zusammengelegt und komplett renoviert. Ohne viel Geld war das mit unseren beiden Vätern eine richtige Familienbaustelle. Es dauerte ein intensives halbes Jahr, schwere Lasten, dritter Stock ohne Lift ... Wir haben einige Wände herausgerissen, um eine offenere Raumstruktur zu erhalten.
Es sollte ja für längere Zeit auch mein Atelier sein. Das ist jetzt nicht mehr vorrangig, da ich gleich in der Nähe Arbeitsräume gefunden habe. Die sind wohltuend ebenerdig, und ich muss nie mehr schwere Arbeiten aus dem dritten Stock abtransportieren. Der Hauptraum hier am Volkertplatz besitzt aber noch immer den Charakter eines Arbeitsraums. Manche Besucher fragen, ob wir gerade beim Einrichten sind.
In der Wohnung gibt es einen zentralen Wohnküchenbereich, ein Schlafzimmer, ein Bad und den großen Raum. Daneben haben wir eine kleinere eigenständige Einheit für Gäste belassen. Wichtig war uns bei den Umbauplanungen, dass die Räume flexibel nutzbar sind, schließlich ändern sich mit der Zeit auch die Bedürfnisse.
Das Haus ist ganz typisch für diese Gegend: ein bescheidenes Zinshaus aus der Zeit der Jahrhundertwende mit Kleinwohnungsgrundrissen. Der Volkertplatz ist noch immer sehr gemischt, was die Bewohner und Benutzer betrifft. Auf dem Markt gibt es die kroatischen Gemüse- und Fischhändler neben dem jüdischen Imbiss und dem türkischen Laden. Der Platz ist ein Aufenthaltsort für die Anwohner, für Jung und Alt. Der Karmelitermarkt ist in der Zwischenzeit vergleichsweise viel schicker. Das ist ja ein bekanntes Beispiel für Gentrifizierung, wobei ich mich natürlich sehr über neue Lokale in der Umgebung freue.
Als ich noch in der Wohnung gearbeitet habe, gab es Tage, an denen ich gar nicht aus dem Haus gekommen bin. Eigentlich war das überhaupt kein Problem, weil ich das Leben am Platz immer vom Fenster aus mitbekommen habe. Gerade im Sommer hat das etwas Südländisches, ja sogar etwas Dörfliches. Der Volkertplatz wirkt hier herein, er ist fast eine Erweiterung des Wohnraums. Manchmal ist Mittagessen unten vor der Haustür wie ein Kurzurlaub im Süden.
Wohnen bedeutet für mich also auf jeden Fall auch die Einbeziehung des Umfelds, ein Spiel zwischen Innen und Außen. Was das Innen betrifft, ist mir der leere Raum mit einem offenen Charakter wichtiger als der Gedanke an die Einrichtung. Wir leben hauptsächlich mit gebrauchten Dingen. Die Sessel in der Küche stammen aus einem alten Konferenzzimmer, einige andere Möbel wiederum stammen von einem Amt. Das Interesse an Interieur-Marken ist bei uns nicht sehr stark ausgeprägt. Kein Sofa- und Lampenfetischismus.
Das Interesse an Geschichte und Image von Marken besteht eher bei Autos - zum Beispiel zurzeit für so gegensätzliche Marken wie Saab und BMW, besonders für alte 3er-BMWs. Möbel dürfen mich nicht stören. Sympathisch sollten sie sein, nicht zu viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen und doch über ein bisschen eigenständigen Charakter verfügen." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 3./4.3.2012)