Sheba-Celina Schilk rekonstruiert die Vergangenheit.

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Es war im vergangenen August, als Bewohner der peruanischen Stadt Huanchaco in der Nähe grabende Archäologen zu Hilfe riefen. Der Wind hatte aus den Dünen einige Schädel freigelegt. Schnell stand fest: Mit einer reinen Notgrabung wird man der Bedeutung des Opferfundes aus der Chimu-Zeit (1200 n. Chr.) nicht gerecht.

Der salzige Untergrund in der Nähe der Küste sorgte für eine optimale Mumifizierung, was einige schaurige Details zutage brachte. Insgesamt wurden 74 Lama- und 43 Kindermumien - mit roter Bemalung und in Textilien gehüllt - geborgen. Die Grabungsleitung übernahm kurzfristig Sheba-Celina Schilk aus Wien. "Die Schichtung der Funde legt die Vermutung nahe, dass eine ganze junge Generation - Kinder und Lamas - geopfert wurde, um während einer Art El-Niño-Phänomen mit starken Regenfällen die Natur götter zu besänftigen", erklärt die Archäologin.

"Tragik und Tragweite des Fundes faszinieren mich. Ich interessiere mich für die Rekonstruktion menschlichen Verhaltens in Ex tremsituationen oder auch die Unausweichlichkeit auf Inseln", erklärt die 27-jährige Archäologin. Den geopferten Kindern wurde der Brustkorb aufgeschnitten und das Herz entnommen. Ob das unter Betäubung geschah, würde Schilk gerne herausfinden. Die Lamas repräsentieren als Last- und Nutztiere einen hohen wirtschaftlichen Wert. Derzeit arbeitet ein Archäozoologe Fellfunde und Mageninhalt der Lamas auf, eine Anthropologin untersucht die DNA aus den Zähnen, um mehr über die Verwandtschaft unter den Opfern zu erfahren.

Sheba-Celina Schilk hat sich nicht auf eine Hochkultur, Periode, Grabungs- oder Fundart festgelegt. Diese Nichtspezialisierung ist ihre Stärke. "Wer buddeln will, soll sich nicht von dem Etikett Orchideenfach abhalten lassen", sagt Schilk. Sie hat bereits als Kind mit Hingabe Plastikskelette von Menschen und Dinosauriern ein- und wieder ausgegraben. Später studierte sie Gemmologie (Edelsteinkunde) und Archäologie. Hinter ihr liegen viele Jahre an Grabungen statt Urlauben, in denen sie Präparations-, Konservierungs- und Präsentationstechniken perfektionierte.

Museumspraktika absolvierte sie im Science Museum of Minnesota und im Museum Leymebamba in Peru, wo - von heimischen Spendern, Forschern und dem Wissenschaftsministerium unterstützt - rund 200 Wolkenmenschenmumien der Chachapoya, eines prähistorischen Andenvolkes, ausgestellt werden. Drei Monate in dem Dorf in Peru ließen sie sehr rasch Spanisch lernen. Die vielseitige Halbjamaikanerin brachte zudem Basiskenntnisse in gut einem Dutzend Sprachen aus Schulzeit, Orientalistikstudium und von Grabungen mit. In Peru studierte sie zudem an der Universidad Nacional de Trujillo.

Zunächst wird Schilk die Ar beiten zu den Opferfunden in Peru abschließen und dazu publizieren. Nach einer Einstimmung bei den ur- und frühgeschichtlichen Grabungen im türkischen Ephesos möchte sie im Herbst 2013 ihre Doktorarbeit auf der griechischen Insel Samothraki beginnen und den Material- und Energiestoffwechsel sowie Landnutzungsmuster früherer Bewohner rekonstruieren. Dabei ist sie in ein Projekt der Abteilung Soziale Ökologie der Universität Klagenfurt eingebunden, das ein umfassendes Biosphärenparkkonzept für die Insel entwickelt. (Astrid Kuffner/DER STANDARD, Printausgabe, 7. 3. 2012)