In einem Kammerl des Justizpalastes sitzt der Rechtsschutzbeauftragte des Justizministeriums und prüft, ob die Einstellung des Verfahrens wegen Amtsmissbrauchs gegen die Staatsanwälte, die in Sachen Kampusch eingestellt haben, eingestellt bleiben soll. Das ist jetzt die x-te Überprüfung dieses Falles. Eine weitere soll auf (eine erwartete) Empfehlung des geheimen Unterausschusses des Staatspolizeiausschusses im Parlament folgen. Unter Hinzuziehung von FBI und/oder deutschem Bundeskriminalamt.

Doch die Empfehlungen dieses Ausschusses sind wegen der politischen Motive einiger seiner Mitglieder schon jetzt so gut wie wertlos. Der Ausschussvorsitzende Werner Amon (ÖVP) ist trotz Geheimhaltungspflicht vorzeitig mit der Aussage herausgeplatzt, die Einzeltätertheorie sei " nur schwer aufrechtzuerhalten". Die FPÖ- Abgeordnete Dagmar Belakowitsch-Jenewein verbreitete das Gerücht, Kampusch habe in der Gefangenschaft ein Kind geboren und wachelte im ORF mit einem der FPÖ " zugespielten" angeblichen Foto herum, mit dem bewiesen werden soll, dass Kampusch in der Gefangenschaft eh eine Superzeit gehabt hat.

Das ist offensichtlich politisch motiviert (Amon: Ablenken von unangenehmen Fakten an der Telekom-Korruptionsfront; Belakowitsch: reine Krawallmacherei nach der Methode Strache).

Dennoch sei hier ausdrücklich gesagt: Es besteht selbstverständlich die (m. E. schwache) Möglichkeit, dass nicht alles, was juristisch relevant ist und die Öffentlichkeit etwas angeht, ans Tageslicht gekommen ist. Dies, obwohl Natascha Kampusch selbst und andere jetzt im ORF-Thema sowohl der Mehrtätertheorie, als auch den Verschwörungstheorien plausibel entgegen getreten sind.

Seit dem Auftritt eines FPÖ-nahen Kriminalbeamten mit rechtsextremen Kontakten, der sich in einer Schule die DNA einer angeblichen Kampusch-Tochter erschleichen wollte, sieht man klarer, was die Verschwörungstheoretiker betrifft. Der Kriminalbeamte fühlte sich offenbar auch vom Ex-Höchstrichter Johann Rzeszut ermutigt. Rzeszut selbst wirkt in seinem Furor befremdlich - auch auf die Innsbrucker Staatsanwältin, die seine Amtsmissbrauchsanzeige zu beurteilen hatte: Er verbreite "nur noch Verschwörungen, die in den Akten überhaupt keine Deckung fänden (...) Bei Natascha K. handelt es sich augenscheinlich in den Augen des Dr. Rzeszut nicht um ein maßstabsgerechtes Opfer, weil sie vom Täter nicht gänzlich zerstört wurde, sondern sich der Situation angepasst hat und sich nach außen hin stark gibt." (Veröffentlicht jetzt im Falter.) Rzeszuts Theorien stützen sich zentral auf die damals kindliche Zeugin A. Sie will zwei Entführer gesehen haben. Dazu eine Darstellung der Staatsanwälte: "Oberst Kröll (...) berichtete sichtlich erleichtert telefonisch an Dr. Mühlbacher (Sonderstaatsanwalt; Anm.), dass der scheinbare Widerspruch in den Aussagen (Kampusch und A.) nun geklärt sei, weil die zweite Beobachtung der Zeugin A. (zwei Entführer) ein anderes Fahrzeug betroffen haben muss."

Polizeioberst Kröll hat sich erschossen, angeblich weil man seine Vermutungen in Sachen Kinderporno-Ring nicht glauben wollte. Am 4. 12. 2009 mailte er an Mühlbacher und an die Mitglieder der Evaluierungskommission (also auch an Rzeszut): "Dem Ergebnis dieses Augenscheins nach dürfte sich A. am Tage der Entführung von Natascha K. aufgrund des 'Erlebten' in ihren Wahrnehmungen geirrt haben." (DER STANDARD-Printausgabe, 7.3.2012)