"Warum ist jeder Hendldiebstahl leichter aufzuklären als Korruption?": Moderator Sperl mit den Experten Sickinger, Moser, Geyer und Fiedler (von rechts).

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Warum lässt sich jeder einfache Hendldiebstahl in diesem Land schneller aufklären, als die vielen aktuellen Korruptionsfälle, bei denen Abermillionen geflossen sein sollen? Dieser Frage spürte Montag- abend im Haus der Musik in der Wiener Innenstadt eine Expertenrunde unter der Moderation von Standard-Kolumnist Gerfried Sperl nach.

Walter Geyer, Leiter der Antikorruptionsstaatsanwaltschaft, hat eine einleuchtende Erklärung parat: "Korruption", erklärt der Ankläger, "ist ein scheinbar opferloses Heimlichkeitsdelikt." Während es beim Hendldiebstahl stets einen eindeutig Geschädigten, den Hendlbesitzer, gebe, sei bei Korruption das Opfer die Allgemeinheit, wenn viel Steuergeld für zweifelhafte Leistungen in irgendwelche dunklen Kanäle fließe. Und wo zunächst kein direkt spürbarer Leidensdruck, da pressiere es mitunter nicht so bei der Aufklärung. "Oft fliegen diese Taten nur durch reinen Zufall auf", weiß der Korruptionsexperte.

Dazu kommt: Im Strafrecht gebe es für Korruption nicht einmal ein entsprechend ausgewiesenes Delikt. Die Staatsanwälte müssten deshalb selbst ständig nachblättern, welche Vergehen sie konkret nachweisen wollen. Illegale Geschenkannahme vielleicht? Vorteilsnahme? Oder Bestechlichkeit?

Und durch noch etwas wird die Arbeit der Korruptionsstaatsanwaltschaft erschwert, erzählt Geyer: Mittlerweile könne jedermann übers Internet um nicht einmal tausend Euro eine Briefkastenfirma in Delaware oder sonstwo auf der Welt gründen. "Und von der Staatsanwaltschaft verlangt man dann, möglichst rasch jahrelange Geldflüsse zwischen Zypern, Delaware und den Cayman Islands nachzuverfolgen!"

Auf Platz 16 abgerutscht

Ob Telekom, Buwog, Blaulichtfunk oder Inseratenvergabe: Mit Ausnahme der Einsetzung eines U-Ausschusses zu den diversen Affären hat die Politik nicht viel weitergebracht, seit die Medien scheinbar täglich neue Gaunereien im staatsnahen Bereich enthüllen.

Franz Fiedler, einst Präsident des Rechnungshofes, nun Beiratspräsident von Transparency International Österreich, rechnet vor, dass das Land auf dem sogenannten "Korruptionswahrnehmungsindex" mittlerweile auf Platz 16 abgerutscht ist. Verglichen mit anderen demokratisch hoch entwickelten Industriestaaten sei man damit "nur mehr im eher schlechten Mittelfeld" platziert.

Die unmittelbare Folge des Auffliegens ständig neuer Skandale, ist man sich auf dem Podium einig, sei ein gehöriger Verlust des Vertrauens in die Politik und ihre Institutionen. Hubert Sickinger, Politologe und Spezialist für die hierzulande höchst intransparenten Parteifinanzen, kann sich vorstellen, dass dadurch in Österreich - wie in den Neunzigern in Italien - das System der Großparteien implodiert und auch im Wiener Parlament dann sechs oder sieben kleinere Parteien sitzen.

Vorläufig versucht dort aber noch Gabriela Moser, Vorsitzende des U-Ausschusses, mit fünf Fraktionen mehr als ein halbes Dutzend Korruptionsaffären aufzuklären. Wie Geyer, Fiedler und Sickinger beklagt auch die Grüne die vielen "Grauzonen" und "Gesetzeslücken", die es möglich gemacht haben, dass von der Wirtschaft viel Geld in die Parteikassen geflossen ist, was sich jeder Kontrolle entzogen hat. Neben einem Parteienfinanzierungsgesetz, das auch deren Vorfeldorganisationen erfassen soll, pocht die Runde auf ein neuerliches Festschreiben des Anfütterungsverbots im Korruptionsstrafrecht, also ein Verbot, sich Politiker durch Einladungen oder Geschenke gewogen zu machen.

Im Publikum brodelt es mittlerweile ob der Ohnmacht angesichts des schwierigen Nachweisens von Korruption: Warum, bitteschön, das Parlament nicht früher draufgekommen sei, dass die Politik beim Verkauf der Bundeswohnungen so massiv mitgeschnitten habe, will ein junger, aufgebrachter Herr wissen. Moser dazu: "Ich habe dazu schon im Jahr 2002 parlamentarische Anfragen gestellt. Aber leider bin ich damals einfach mit falschen Antworten abgespeist worden!" (Nina Weissensteiner, DER STANDARD, Printausgabe, 7.3.2012)