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Ein unbekannter Teilnehmer des Trainingskurses im Urwald von Bolivien. Während mehrere Wochen werden hier Spezialeinheiten aus ganz Lateinamerika für den Anti-Drogen-Kampf ausgebildet.

Foto: REUTERS/John Vizcaino

Manchmal geht es mitten in der Nacht los, um drei, vier Uhr früh. In vier Stunden wird das Thermometer 35 Grad erreichen, aber noch ist es kühl im Hauptquartier des Dschungelkommandos, mitten im kolumbianischen Tiefland. Dort trainieren sechs Dutzend schwerbewaffnete Männer für ihre Mission: den Krieg gegen die Drogen.

Seit vier Monaten schon sind Animas, Méndez, Chávez, Pérez, Sánchez und Sousa im Dschungelcamp. Der Kopf rasiert, die Muskeln gestählt. Sie wissen, wie man ohne Streichhölzer Feuer macht, welche Pflanzen man essen kann, wie man aus Bambus, einem Stück Stoff und etwas Kohle Wasserfilter baut. Das "Comando Jungla" gilt als eines der härtesten Trainings der Welt für Spezialtruppen. Ursprünglich geschaffen mit der Unterstützung des britischen Geheimdienstes und gedacht als Training für den kolumbianischen Anti-Guerilla-Kampf, werden hier seit 2006 Sicherheitskräfte aus ganz Lateinamerika ausgebildet. Statt der Briten investieren hier nun die Nordamerikaner.

Schießstand und Plantage

Auf den 17.000 Hektar, drei Stunden südlich von Bogotá, entsteht derzeit für 90 Millionen Dollar ein hochmodernes Elite-Trainingscamp. Schießstände, Hubschrauberplattformen, Hindernisparcours und experimentelle Drogenplantagen mit angeschlossenem Drogenlabor. Ein Teil ist bereits fertiggestellt. Die US-Amerikaner finanzieren den Großteil des Baus aus ihrem sieben Milliarden Dollar schweren Etat für den Drogenkrieg in Kolumbien.

Wie beim richtigen Einsatz erfahren die Einsatztruppen erst kurz vorher, worum es geht. Spezialkommandos müssen effizient sein, verschwiegen, anonym. Sie tauchen aus dem Nichts auf, erledigen ihre Mission und verschwinden wieder. "So schützen wir uns vor unseren Feinden ... und vor uns selbst", sagt Unteroffzier Animas aus Mexiko. In keinem anderen Land hat die Drogenmafia die Sicherheitskräfte so infiltriert wie in Mexiko. Das blutrünstigste Kartell, das der "Zetas", ist entstanden aus mexikanischen und guatemaltekischen Elitesoldaten, die vor 15 Jahren die Fronten wechselten und sich vom Golfkartell anwerben ließen.

Dicht an dicht pirscht die Truppe von Méndez durch das Gestrüpp. "Peng, peng, peng", ertönt es plötzlich. Im Bruchteil einer Sekunde kniet Méndez' Truppe nieder, die Waffe im Anschlag, einer nach links, einer nach rechts zielend. Peng, peng, peng. "Du kommst hier nicht raus, die erschießen deine Leute, einer ist schon verletzt!" brüllt der kolumbianische Ausbilder Ever Sánchez. "Ein Tunnel!", reagiert Méndez, und die Kämpfer hinter ihm robben einen halben Meter seitwärts. So entsteht in der Mitte ein einigermaßen geschützter Tunnel, durch den die Angegriffenen sich gebückt rennend zurückziehen, einer hinter dem anderen. Ein martialisches Ballett.

Grenzerfahrung

"Ziel der Ausbildung ist, dass die Jungs in Krisensituationen schnell und richtig reagieren", sagt Armando Lozano, der Verantwortliche des Dschungelcamps und Veteran des Kommandos. Er weiß um den schlechten Ruf der Sicherheitskräfte in Lateinamerika. "Menschenrechte sind bei uns ganz wichtig", beteuert er. Zur Demonstration gibt es eine Klasse über humanitäres Völkerrecht und eine Schießübung, bei der die Soldaten im Bruchteil einer Sekunde entscheiden müssen, ob sie auf eine plötzlich aus dem Boden aufspringende Pappfigur schießen oder nicht. Hat die Figur ein Rotes Kreuz aufgemalt und wird trotzdem erschossen, gibt es einen Minuspunkt. Wer zu viele Minuspunkte sammelt, sich verletzt, die Prüfungen nicht schafft oder den Druck psychisch nicht aushält, muss gehen. Jeder kommt irgendwann einmal an seine Grenze.

Für Díaz, mit 40 der Älteste und bereits etwas behäbig, war der Anfang besonders schwer. Er musste abspecken und viele Extra-Liegestütze machen. Méndez stammt aus der Wüste Nordmexikos und war knapp vor der Kapitulation, als die "Wasserwoche" dran war. Stundenlang durch Schlamm und Wasser waten, dort sogar zu essen, das war eine harte Prüfung. Andere übergeben sich beim Häuten und Braten von Schlangen und anderen Reptilien und Insekten. Sánchez aus Panama verlor beim einwöchigen Gewaltmarsch, Tag und Nacht ohne Schlaf, das Bewusstsein und somit fast den Anschluss an sein Team.

Und was nützt das Dschungeltraining in Städten, gegen einen unsichtbaren Feind, der sich mit der Zivilbevölkerung vermischt, der Politiker und Chefs korrumpiert und zuschlägt, wenn niemand damit rechnet? Eine Antwort darauf haben auch die kolumbianischen Ausbilder nicht. Trotz unzähliger festgenommener Verbrecher, trotz zehntausender vernichteter Hektar Kokaplantagen ist ihr Land weiter das größte Anbaugebiet von Koka, dem Rohstoff für Kokain. (Sandra Weiss aus Bogotá, DER STANDARD-Printausgabe, 7.3.2012)