Gina Carano in "Haywire".

Foto: Constantin Film

Wien - Regisseur Steven Soderbergh, der Trickster des US-Kinos, hat eine Vorliebe dafür, gut eingeführte Genres einem digitalrealistischen Lifting zu unterziehen. Im besten Fall wirkt das Geschehen auf den Zuschauer näher und damit zeitgenössischer: Zuletzt hatte man im Grippethriller Contagion trotz Staraufgebots das Gefühl, eher der Reportage über eine reale Bedrohung als einem Spielfilm zu folgen, der sich mit der "suspension of disbelief" abmüht.

In Haywire wendet Soderbergh nun ein ähnliches Prinzip auf den Spionagethriller an - alles soll direkter, roher und glaubwürdiger wirken, ohne dass dabei auf handelsübliche Kampf- und Verfolgungsszenen oder internationale Schauplätze verzichtet wird. Bereits die Hauptrolle weist ein Echtheitszertifikat auf, denn Soderbergh hat die Figur der in die Bredouille geratenden Heldin mit Gina Carano besetzt, einer prominenten Mixed-Martial-Arts-Kämpferin. 2009 hatte der Regisseur für The Girlfriend Experience mit Sasha Grey einmal auf einen Pornostar zurückgegriffen, um den Einsatz zu erhöhen.

Caranos physische Leistung - hinter der die schauspielerische merkbar zurückbleibt - garantiert tatsächlich die eindrucksvollsten Momente: Wenn sie in Strumpfhosen einen von Michael Fassbender verkörperten Widersacher in einem Hotelzimmer bekämpft, hat das nicht nur Druck und Dynamik, sondern auch unleugbar eine erotische Qualität (mit entsprechend voyeuristischer Note).

Doch dies sind nur hervorgehobene Attraktionen in einem zwar nicht geradlinig erzählten, letztlich aber konventionell gehaltenen Plot. Um herauszufinden, welcher Entscheidungsträger sie geopfert hat, muss Carano einige Attentate überstehen. Die männliche Star-Power (Michael Douglas, Ewan McGregor und Antonio Banderas) bleibt angesichts dieses Eine-Frau-Spektakels eher Gesichter-Staffage.

Soderbergh bedient hier die alte Rambo-Formel der Waffe aus eigener Schmiede, die immer unkontrollierbarer wird. Immerhin spielt er gewitzt mit einem im Agentengenre unüblich No-Nonsense-Frauenbild. Die eine oder andere Idee über den Gendertausch hinaus hätte dieser Fingerübung dennoch nicht geschadet. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, Printausgabe, 7.3.2012)