Das Osmanische Reich hat unter den historischen Imperien (Ägypten, Rom, Ostrom, Mongolen, um nur einige zu nennen) nicht den schlechtesten Ruf. Es gilt als tolerant in religiösen Fragen, und es erwarb sich Legitimität nicht zuletzt durch schiere Dauer: Mehr als 600 Jahre sind nun einmal eine stolze Leistung. Das Jahr 1453 bildet in diesem Zusammenhang ein zentrales Datum, denn erst die Eroberung von Konstantinopel machte aus einer Regionalmacht eine Hegemonialmacht.

Es ist also nicht einfach irgendein Thema, wenn der bisher teuerste und nun auch schon erfolgreichste türkische Film überhaupt mit den neuesten Spezialeffekten den Fall von Konstantinopel ausmalt. Im Gegenteil kann man bei Faruk Aksoys Spektakel Fetih 1453 (Eroberung 1453), der derzeit auch in vielen Städten des deutschsprachigen Raums in den Kinos läuft, die Gegenwartsbezüge deutlich ausnehmen. Was vielfach als eine „neo-osmanische“ Ausrichtung der türkischen Außenpolitik beschrieben wird, findet hier eine pralle Gründungserzählung, geht es doch dem Sultan Mehmet II bei seinem Angriff auf das Byzantinische Reich um nicht und nicht weniger als „das größte Reich des Universums“, und zugleich um die Überwindung der Spaltung zwischen Balkan und Anatolien, die davor eine empfindliche Einschränkung für die osmanischen Herrscher bedeutet hatte.

Man könnte Fetih 1453 als einen welthistorischen Blockbuster bezeichnen, und wenn der Film selbst sich mit Aktualisierungsangeboten sich auch zurückhält, sind doch die vielen politischen Signale durchaus bedeutsam. Das Wichtigste liegt in der Anstrengung, die hier unternommen wird, um die Kriegspolitik von Mehmet II deutlich in die größere Tradition des islamischen Dschihad zu stellen. Der Sultan bekommt sein Mandat gewissermaßen direkt vom Propheten selbst (das religiöse Pathos wird allerdings durch eine Szene gebrochen, die eher an Der Herr der Ringe erinnert).

Die Identifikation des Publikums wird aber auch noch durch eine Figur geführt, die zur Ebene des Volkes gehört: Das Mädchen Era, Stieftochter des Kanonenbauers Urban, hat als Kind ein Massaker christlicher Kreuzritter auf dem Balkan überlebt, und entscheidet sich folgerichtig zwischen zwei langhaarigen Hünen für den türkischen Hasan (gegenüber dem Genueser Giustiniani). Dieser Hasan ist der Aktionsheld des Films, er wird schließlich in einer starken Szene die Flagge des Sultans auf der zu diesem Zeitpunkt schon von der „Schahi-Kanone“ erschütterten Stadtmauer von Konstantinopel hissen, durchbohrt von zahlreichen Pfeilen und quasi mit dem letzten Seufzer.

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Dieser Moment ist das geschichtspolitische Pendant zur Befreiung Berlins 1945, und wenn die Analogien auch schief sein mögen, so operiert Faruk Aksoy doch äußerst offensiv mit dem Bildgedächtnis der Weltgesellschaft. Fetih 1453 bedient sich beim chinesischen Martial-Arts-Film (der nach 2000 ja auch stark nationalisiert wurde), es gibt Anspielungen auf das sowjetische (Dissidenten-)Epos Andrej Rublow (damit wäre auch das dritte Rom noch dabei), das ästhetische Muster aber bilden amerikanische Breitwandfilme von Der Untergang des Römischen Reichs bis Troja.

Zu diesen schließt das türkische Mainstreamkino hier auf, das damit neuerlich sein gewachsenes Selbstbewusstsein demonstriert, und zwar an einem neuralgischen Punkt: Vor zwei, drei Jahren, als die Frage eines EU-Beitritts noch stärker im Raum stand, wäre das wahrscheinlich eine heiklere Angelegenheit gewesen, so aber passt das Bild vom dekadenten „Westen“, das in Fetih 1453 vermittelt wird, durchaus zur größeren Gemengelage, und die Türkei zeigt sich als nicht zu unterschätzender Machtfaktor auch auf dem Gebiet jener Außenpolitik, die mit Bildern gemacht wird.