London/Berlin - In der Finanzwelt wächst die Angst vor einem Scheitern des Schuldenschnitts in Griechenland. Wenige Tage vor Ablauf des Umschuldungsangebots der Regierung in Athen wurde am Dienstag eine dramatische Warnung des Welt-Bankenverbandes IIF bekannt. Demnach könnte es zu einer ungeordneten Staatspleite mit Kosten von über eine Billion Euro kommen. Die Unsicherheit, ob eine ausreichende Zahl privater Gläubiger auf Forderungen von über 100 Milliarden Euro verzichtet, lastete auf Euro und deutscher Börse. Die am Donnerstag ablaufende Frist gilt auch für Industriefirmen wie Fresenius, die griechische Staatsanleihen besitzen. In der Politik köchelte der Streit über die Bedingungen der Opposition für ihre Zustimmung zum neuen EU-Fiskalpakt weiter.

Insgesamt sollen die Privatgläubiger Griechenlands auf mehr als die Hälfte ihrer Ansprüche aus Staatsanleihen verzichten. Der größte Schuldenschnitt in der Wirtschaftsgeschichte ist eine Voraussetzung dafür, dass das Land mit dem neuen Hilfspaket seiner Euro-Partner im Volumen von 130 Milliarden Euro gerettet wird.

IIF appelliert an Mitglieder mitzumachen

Aus Sicht des IIF, der für die Banken die Federführung bei den Umschuldungsverhandlungen übernommen hatte, wäre eine Staatspleite fatal. In einem vertraulichen Dokument vom 18. Februar warnte der von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann geführte Verband, die Kosten eines Scheiterns ließen sich zwar schwer beziffern: "Aber es ist kaum absehbar, dass sie unter einer Billion Euro lägen." Der IIF untermauerte mit der Zahl seinen Appell an Banken, Versicherer und andere Privatgläubiger wie Hedgefonds, das Angebot Athens anzunehmen, ihre Papier gegen langlaufende neue Anleihen mit niedrigerem Zinssatz zu tauschen.

Wenn Griechenland falle, bräuchten auch Italien und Spanien externe Hilfe, um eine Ansteckung zu verhindern, argumentiert der IIF. Der Europäischen Zentralbank drohten zudem erhebliche Verluste: Sie sei allein mit 177 Milliarden Euro in Griechenland engagiert - das sei mehr als das Doppelte ihrer Kapitalbasis. Irland und Portugal benötigten bei einer griechischen Pleite in den kommenden fünf Jahren 380 Milliarden Euro, Italien und Spanien weitere 350 Milliarden, heißt es in dem Dokument. Und nicht zuletzt müssten Banken mit gut und gerne 160 Milliarden Euro an frischem Kapital wieder auf die Beine gestellt werden.

Notfalls mit Zwang

Der Lenkungsausschuss des IIF hatte schon am Montag erklärt, dass seine zwölf Mitglieder an dem Schuldenschnitt teilnähmen, darunter die Deutsche Bank, die Commerzbank und die Allianz. Wenn sich nicht genügend Gläubiger freiwillig beteiligen, will der griechische Finanzminister Evangelos Venizelos den Schuldenschnitt notfalls mit Hilfe von Umschuldungsklauseln (Collective Action Clauses) erzwingen.

Am Finanzmarkt kursierten - von Athen später dementierte - Gerüchte, dass die Annahme-Frist für das Umtauschangebot wegen einer zu geringen Beteiligung verlängert werden solle. Der Euro fiel zeitweise auf ein Zweieinhalb-Wochen-Tief von 1,31 Dollar. Der griechische Schuldenschnitt sei seine große Hürde, sagte Devisen-Stratege Gavin Friend von der National Australia Bank: "Wenn er scheitern sollte und die Hölle losbricht, könnte der Euro noch härter getroffen werden." Der Dax lag am Nachmittag 2,3 Prozent im Minus.

Griechische Medikamentenrabatte

Der Gesundheitskonzern Fresenius erklärte, er sei ebenfalls aufgefordert worden, das Umtausch-Angebot anzunehmen. Fresenius hatte 2010 Forderungen an griechische Krankenhäuser und die staatliche Krankenversicherung gegen Staatsanleihen getauscht.

Gelingt der Tausch, will die Politik schleunigst das zweite Hellas-Hilfspaket finalisieren. Außerdem soll die Etat-Kontrolle in der Euro-Zone verbessert werden, indem sich 25 EU-Länder in einem Fiskalpakt verpflichten Schuldenbremsen einzuführen. (APA/Reuters)