Moskau - Ein Blick auf die Wahlergebnisse zeigt: Moskau ist nicht Russland. Während Premierminister Wladimir Putin bei der Präsidentschaftswahl in ausnahmslos allen Regionen auf mehr als 50 Prozent kam, hätten ihn die Moskauer in eine Stichwahl geschickt. Ausgerechnet in der russischen Hauptstadt fuhr Putin landesweit mit 46,95 Prozent das schlechteste Ergebnis ein.

Unterdurchschnittlich schnitt der Premier allerdings auch in anderen Teilen des europäischen Teiles Russlands ab: Von Archangelsk im Norden bis nach Orjol und Rjasan südlich von Moskau erhielt Putin weniger als 60 Prozent, während er landesweit knapp 64 Prozent der Stimmen erzielte. Ausnahmen bildeten hier nur die von der Rüstungsindustrie geprägten Regionen Nischni Nowgorod und Tula sowie Iwanowo.

In seiner Heimatstadt St. Petersburg konnte Putin knapp 59 Prozent der Wähler gewinnen. Das ist deutlich mehr als seine Partei Einiges Russland bei der Duma-Wahl im Dezember bekam, als sie mit 35 Prozent abgestraft wurde. Im Vergleich zu Putins eigenem Resultat 2004 (75 Prozent) ist es aber ein deutlicher Rückgang.

Schwach in Sibirien, Fernost

Auch in Westsibirien mit den Millionenstädten Omsk und Nowosibirsk sowie der Studentenhochburg Tomsk musste Putin vergleichsweise schwache Ergebnisse unterhalb der 60-Prozent-Marke hinnehmen. Russlands Ferner Osten, traditionell etwas oppositionsfreundlicher, stimmte ebenfalls nur verhalten für den neuen Kremlchef.

Eine Ausnahme bildete hier die Arktis-Halbinsel Tschukotka, die lange von Roman Abramowitsch als Gouverneur geführt wurde und noch heute von den Zahlungen des Oligarchen abhängig ist. Die Tschuktschen stimmten zu knapp 73 Prozent für Putin.

Erfolg in den Republiken

Geradezu überwältigend war die Zustimmung zu Putin in den nichtrussischen Teilrepubliken, speziell in den islamisch geprägten. In der bevölkerungsreichsten, Tatarstan, stimmten fast 83 Prozent der Wähler für Putin.

In insgesamt fünf Republiken konnte Putin sogar die 90-Prozent-Marke knacken: Vier davon liegen im Kaukasus: Dagestan, Inguschetien, Karatschai-Tscherkessien und Tschetschenien. Einzig die buddhistisch geprägte Republik Tuwa (90 Prozent) konnte dem Elan der Putin-Wähler im Kaukasus das Wasser reichen.

Absoluter Spitzenreiter ist freilich Tschetschenien. Dort erzielte Putin, zwölf Jahre nachdem er russische Truppen einmarschieren ließ, sagenhafte 99,76 Prozent der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von 99,61 Prozent.

Die "Begeisterung" der Kaukasier für Putin ist nur auf den ersten Blick verwunderlich. Die strukturschwache Region ist von Staatsgeldern abhängig. Zugleich hat sich in der von Korruption zerfressenen Region ein Netz von Abhängigkeiten gebildet, das die Elite bei den Wahlen nutzt, um zu manipulieren. Eine unabhängige Wahlbeobachtung ist in der Region zudem aus Sicherheitsgründen bis heute unmöglich. (ab/DER STANDARD, Printausgabe, 6.3.2012)