Der Lock-Screen von Windows 8 gibt bereits Aufschluss über eingegangene Mails oder auch den Ladestatus des Akkus.

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Der Start-Screen ist das neue Windows-Zentrum. Hier werden über Live-Kacheln Apps, Kontakte und Webseiten zusammengefasst.

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Der komplette Start-Screen im Überblick. Hier können Apps genauso wie Desktop-Programme, Kontakte und Webseiten abgelegt werden.

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Der Desktop ist nun eine Vollbild-App, die sich jederzeit aufrufen lässt. Verschwunden ist der Start-Button. Anstelle dessen werden die wichtigsten Funktionen über die Charms Bar bereitgestellt.

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Sämtliche Apps lassen sich über den Start-Screen suchen. Die Suche ermöglicht es wiederum, mit wenig Aufwand nach bestimmten Inhalten in unterschiedlichen Umgebungen wie dem Browser oder lokalen Anwendungen zu suchen.

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Die Metro-Apps wurden allesamt Touchscreen-freundlich gestaltet. Im Bild: Der Internet Explorer 10 Beta in der Metro-Version.

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Windows 8 ist sowohl für Tablets als auch Notebooks und Stand-PCs konzipiert. Dazu gehört die Unterstützung von x86- und ARM-Plattformen.

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90 Prozent der PCs laufen heute mit einem Betriebssystem von Microsoft. Das Windows-Logo, der Start-Button, die mit bunten Icons und winzigen Symbolen vollgeräumte Taskleiste, kurz der Desktop ist mittlerweile für Generationen von Anwendern ein nur zu vertrautes Bild. Ein Bild, das sich in den vergangenen Jahren verändert, aber nicht dramatisch gewandelt hat. Doch die Zeiten haben sich sehrwohl geändert. Heute sind Computer in dutzenden Formfaktoren im Einsatz. Immer häufiger nicht als Standrechner oder Laptop, sondern als Smartphone oder Tablet. Für E-Mail, Facebook, zum Internetsurfen, Spielen oder YouTube-Schauen muss längst kein Rechner mehr hochgefahren werden. Der Windows-Startscreen wird speziell außerhalb des Büros zum immer selteneren Anblick.

Das Imperium schlägt zurück

Microsofts Problem: Nicht der Redmonder Softwareriese dominiert die mobile Welt, sondern Google mit Android und Apple mit iOS. Microsoft hat die Entwicklung schlicht verschlafen und lieferte erst drei Jahre nach der "iPhone-Revolution" eine Antwort: Windows Phone - die hauseigene Vision eines modernen Systems für Touchscreen-basierte Begleiter. Doch trotz zahlreicher Innovationen und Wiedererkennungswert, blieb der Erfolg bislang aus. Die Kundschaft hat sich auf iPhones und Androiden eingeschossen.

Das ist dennoch kein Grund, Trübsal zu blasen. Denn obwohl Windows Phone trotz Marketingmillionen und Milliarden-Kooperation mit Nokia wohl noch einige Zeit im einstelligen Prozentbereich herumgrundeln wird, so hat es im Kern immerhin die Zukunft für Microsofts Unternehmensstrategie vorbereitet. Die Designsprache Metro und die enge Verknüpfung mit Online-Diensten haben sich bewährt und werden nun sukzessive auf andere Produkte übertragen. Die Xbox 360 erlebte mit Kinect diesen Wandel und auch Windows 8 ist ein Kind dieser Idee. Das Ziel: Auf lange Sicht soll ein System für alle Plattformen - ob Handy, Tablet, Konsole, Laptop oder Stand-PC - geschaffen werden. Eine Windows-Welt für alle Schäfchen.

Radikaler Bruch

Um dieses Ziel realisierbar zu machen, benötigte es einen radikalen Bruch mit Traditionen. Wenn Windows künftig auf unterschiedlichen Formfaktoren zuhause sein soll, muss es Abstand nehmen von der Vorstellung, dass PCs ausschließlich mit Maus und Tastatur bedient werden. Die Entwickler von Windows 8, rund um Spartenchef Steven Sinofsky, haben diesen Schritt gewagt und ein völlig neues, universell bedienbares Zentrum basierend auf dem Windows-Phone-Design erschaffen.

Der Start-Screen von Windows 8 zeigt sich auf allen Plattformen gleich. Große "Live-Kacheln" dienen als Verweis auf Apps und geben gleichzeitig aktuelle Informationen zu eingegangenen Nachrichten, dem Wetter oder Updates aus. Per Gesten und wenigen Klicks gelangt man zu den wichtigsten Einstellungen und zappt wie bei einem Media-Center durch Fotos, Videos oder die Musiksammlung. Dieser Start-Screen ist das neue Zentrum. Hier findet man einen Webbrowser genauso wie einen Email-Client und über den Windows Store können weitere (über den Testzeitraum kostenlose) Apps heruntergeladen werden.

Einfach zu bedienen

Diese Metro-Apps erinnern stark an iPad- oder Android-Anwendungen. Alle werden in der Vollbild-Ansicht dargestellt und fallen durch eine nutzerfreundliche Bedienbarkeit auf. Beim Webbrowser etwa würde man nicht auf die Idee kommen, einen Internet Explorer (genau gesagt der IE 10 Beta) vor sich zu haben, bis man es nachschlägt. Die Designer gaben sich sichtlich Mühe, künftige Tablet-User nicht zu verschrecken. Auch alle bisherigen Windows-Programme wie Office oder Photoshop können auf dem Start-Screen abgelegt werden, bei Aufruf der Anwendungen muss jedoch (noch) auf den klassischen Desktop, wie man ihn von Windows 7 kennt, gewechselt werden.

(Video: Microsoft stellt Windows 8 vor)

Der neue Desktop

Der Desktop wurde seiner Hauptrolle beraubt und sprichwörtlich in eine Metro-App verbannt. Mit einem Klick auf das Symbol "Desktop" kehrt man also auf den vertrauten Arbeitsplatz zurück und muss zunächst feststellen, dass auch hier einige Anpassungen vorgenommen wurden. So wurde einmal der Start-Button entfernt. Suche, Einstellungen und Programme findet man jetzt in einer, durch eine Bewegung in die rechte obere oder untere Bildschirmecke aufrufbaren "Charms Bar". Über die gegenüberliegenden Ecken kann man alle geöffneten Apps aufrufen und rasch durchwechseln sowie zurück zum Start-Screen gehen.

In der Tiefe stößt man auf Optimierungen. Der Windows-Explorer integriert nun die aus Office bekannte Ribbon-Leiste. Einmal aufgeklappt offenbart sie Standard-Aktionen wie "Kopieren/Einfügen", "per Email versenden" oder "Ansicht-Optionen". Die Entwickler verstauen damit sehr viele Funktionen auf wenig Platz, was anfangs überladen wirkt, aber durchaus praxistauglich ist. Beim kopieren oder übertragen von Dateien informiert nun eine Detailansicht über Details wie Transfergeschwindigkeit und -Dauer. Gedanken hat man sich zudem über die Nutzung des Bildschirms bei mehreren geöffneten Anwendungen gleichzeitig gemacht. Auf Wunsch richtet das System zwei Fenster gleich groß nebeneinander aus und zusätzlich lässt sich noch eine bereits gestartete Metro-App einblenden (praktisch bei Videos oder Musik). Nicht zu letzt wurde ebenso der Task-Manager verfeinert. Geöffnete Anwendungen und Dienste sowie Prozesse wurden nie anschaulicher aufgelistet.

Alte Krücken, zwei Welten

So radikal auf der einen Seite mit dem Start-Screen und den Metro-Apps die Transformation von Windows vollzogen wurde, so lässt sich nicht verstecken, dass das Betriebssystem unter der Fassade nachwievor ein Dateidschungel ist. WiFi-Verbindungen, das Anwenderprofil, Datenschutzeinstellungen oder auch die Helligkeit dürfen per übersichtlichem, verständlichem Menü in der Charms Bar geregelt werden. Tritt ein von der Problembehebung nicht selbstständig lösbares Hardware-Problem auf, wird man dann doch wieder an den Gerätemanager und dessen undurchsichtigen Menübaum verwiesen.

Überhaupt kommt das Gefühl auf, ständig zwischen alter und neuer Welt hin und her zu wechseln. Dass Desktop und Start-Screen optisch bis auf die eckige Formsprache kaum zusammenpassen, mag als äußerlicher Makel abgetan werden können. Dass da zwei gänzlich divergierende Anforderungen an die Nutzer gestellt werden, ist hingegen schon problematischer. Dem nicht gerade zuträglich ist, dass beide Interfaces teils unterschiedlichen Befehlen gehorchen. Für Anwender bedeutet das, etwas dazulernen zu müssen. Windows 7 kennt 36 Kürzel für unterschiedlichste Befehle. Diese bleiben unter Windows 8 erhalten, hinzukommen allerdings 23 weitere Shortcuts, um zwischen Apps zu wechseln, die Systemeinstellungen einzublenden oder die Charms Bar herbeizuholen. Darüber hinaus erlaubt Windows 8 manche, integrale Funktionen nur bei Metro-Apps.

Online eingebunden, komplett vernetzt

Dies betrifft bespielsweise die Option "Teilen". Ein fester Bestandteil des Start-Screens und der Metro-Apps ist die Möglichkeit, Inhalte mit einem Tastenklick über soziale Netzwerke oder Email veröffentlichen zu können oder sie auf Microsofts Online-Speicher SkyDrive hochzuladen. Ein sehr praktisches Feature, das mit Desktop-Anwendungen allerdings nicht zusammenspielt.

Von diesen Ungereimtheiten abgesehen, hat sich Microsoft sehr viel Gedanken über die Einbindung von Online-Diensten und die Mobilität seiner Kunden gemacht. Um eine plattformunabhängige Verfügbarkeit persönlicher Daten zu gewährleisten, entschied man sich dafür, dem Nutzer einen Microsoft-Account als Standard-Login aufzudrücken. System-Einstellungen und auf Wunsch auch Inhalte wie Fotos, Kontakte, Xbox Live- oder Email- und Social-Accounts werden Online - in der Cloud - vermerkt, um sie dann per Microsoft-Account auf beliebigen Windows-8-Systemen bereitzustellen. Gibt man Microsoft die Erlaubnis dafür, kann man auf diese Weise sein digitales Leben stets mit sich tragen.

Was durchaus sehr praktisch ist, wirft ernste Fragen zum Datenschutz auf. Denn der Microsoft-Account dient dann nicht nur als Windows-Login, sondern auch als Zugang zu unzähligen persönlichen Daten - ob aus lokalen Speichern oder dem Internet. Wer komplett vernetzt sein möchte, legt enorm viel Vertrauen in den eigenen Umgang mit Zugangsdaten und Microsofts Datenschutzmaßnahmen in der Cloud.

Performance, Speicher

Laut Microsoft würde Windows 8 bereits auf einem Rechner mit 1 GHz und 1 GB Arbeitsspeicher bzw. 2 GB Arbeitsspeicher bei der 64 Bit-Version laufen. Mindestens 16 GB Festplattenspeicher werden benötigt. Im Testbetrieb mit einem Samsung Series 5 Ultrabook mit Intel Core i3-Zweikernprozessor mit 1,4 GHz, 6 GB RAM und einer 16 GB/500 GB-Hybridfestplatte arbeitete die Windows Consumer Preview (64 Bit) die meiste Zeit ruckelfrei. Besonders flott erfolgte der Systemstart und der App-Wechsel beim Multasking. Dass es sich um eine Beta-Version handelt, ließ sich an einem Treiberproblem mit dem On-Board-Grafikchip von Intel erkennen, das häufig zum Absturz einzelner Metro-Apps führte.

Auffallend ist die Vereinfachung des Installationsprozesses. Windows 8 kann sowohl von einem externen Datenträger als auch direkt von der Systemfestplatte aufgesetzt werden. Der Vorgang ist gegenüber Windows 7 nochmals verkürzt worden, zum Abschluss wird gleich die Synchronisation mit Online-Konten angeboten. Der Download der Preview-Version erfolgt über die Windows-8-Webseite - alternativ auch als ISO.

Unterstützte Plattformen

Windows 8 wird zur plattformübergreifenden Unterstützung einerseits für traditionelle x86-Systeme (AMD, Intel etc.), sprich PCs, Server und Notebooks, und andererseits für ARM-Architekturen, wie sie mehrheitlich in Tablets und Smartphones zum Einsatz kommen, ausgeliefert. Voraussetzung ist ein Chipsatz mit EFI-Unterstützung.

Wer das komplette Windows 8-Erlebnis nutzen möchte, wird um die Anschaffung eines x86-Systems nicht herumkommen. Der Desktop wird auf ARM-Plattformen nur "beschränkt" unterstützt.

Apps

Eine der größten Herausforderungen für Microsoft dürfte die Aktivierung der Entwicklergemeinde zur Erstellung passender Apps sein. Die überwiegende Mehrheit der mobilen Anwendungen wird derzeit für iOS und Android veröffentlicht. Einen Vorteil haben hier Programmierer, die bereits für Windows Phone entwickeln. Windows-8-Apps für das Metro-Interface basieren auf den gleichen Standards wie Windows-Phone-Anwendungen. HTML5-Anwendungen ließen sich ebenfalls sehr rasch auf Windows-8-Apps portieren.

Für Anwender hat man ein strenges Auge auf das Design des Windows Store geworfen und ihn so gestaltet, dass man Programme möglichst rasch finden kann. In der Testphase steht eine Reihe kostenloser Apps zum Download bereit. Manche der Online-Dienste können in Österreich allerdings aus lizenzrechtlichen Gründen nicht ausprobiert werden.

Einschätzung

Die Windows 8 Consumer Preview macht einen sehr weit fortgeschrittenen Eindruck. Es ist zweifellos die radikalste Wandlung die das Betriebssystem in den fast 30 vergangenen Jahren erlebt hat und gleichzeitig ein mutiger Schritt in die so genannte Post-PC-Ära. Der Start-Screen im Metro-Design ist als neues, universelles Zentrum für Tablet und PC gedacht. Gleichzeitig lässt sich aber nicht übersehen, dass hier zwei Welten eine Zwangsehe eingehen, die zum jetzigen Zeitpunkt noch am ein oder anderen Harmonieproblem leidet. Tablets und Touchscreens profitieren enorm von den großen Kacheln, der Desktop ist allerdings viel zu kleinteilig, um mit Fingern bedient zu werden. Umgekehrt ist der Start-Screen für die Maus-Eingabe gar etwas grob gerastert.

Zu begrüßen sind Microsofts Ambitionen, Windows generell nutzerfreundlicher zu gestalten. Die zumindest teilweise Vereinfachung von Menüstrukturen und die nahtlose Verschmelzung von Online-Diensten sind hier von zentraler Bedeutung. Windows 8 wird auch zum Marktstart im Herbst vielleicht nicht die perfekte Umsetzung einer Universalplattform sein, in seiner Ambition aus jetziger Sicht aber unangefochten sein. Microsoft mag nach 30 Jahren nach wie vor kein neues Standbein gefunden, jedoch ein altes Standbein zukunftstauglich gemacht haben. (Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 5.3.2012)