Asylwerber im Kurs: Ihre Integration ist unerwünscht.

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Wien - In Wien werden mehrere hundert Jugendliche mit nichtösterreichischem Hintergrund bald ein gravierendes Problem mit dem Schulbesuch bekommen, warnt Martin Wurzenrainer vom Wiener Integrationshaus. Nicht etwa, weil sie zum Schwänzen neigten, sondern ganz im Gegenteil: "Viele junge Asylwerber werden nicht mehr zur Schule gehen können, weil es für sie keinen Unterricht mehr gibt - konkret immer weniger Plätze in Deutsch- und Hauptschulkursen", sagt der Fachbereichsleiter Bildung der Flüchtlingshilfsinstitution.

Für die jungen Leute werde sich das "verheerend und zerstörerisch" auswirken, schreibt Heinz Fronek von der NGO Asylkoordination in einem Brief an die Stadträtin Sandra Frauenberger (SP). Denn Deutschlernen und Schulbesuch seien für junge Asylwerber derzeit die einzigen möglichen Beschäftigungen.

"Zu Untätigkeit verurteilt"

"Der Arbeitsmarkt ist ihnen de facto verschlossen, also dürfen sie keine Lehre machen", schildert Fronek dem Standard. Ohne Zugang zu Bildungsmaßnahmen wären die Jugendlichen also "in dieser für ihre Zukunftsplanung zentralen Zeit" zu absoluter Untätigkeit verurteilt - " und das vielfach über Jahre, weil Asylverfahren immer noch lang dauern".

Hintergrund des Schul- und Kursplatzmangels für Asylwerber ist paradoxerweise eine Verbesserung des Angebots für Andere. Seit Jänner 2012 können gering qualifizierte Österreicher sowie Migranten mit Niederlassungsbewilligung auf Grundlage einer Bund-Länder-Vereinbarung den Pflichtschulabschluss nachholen sowie ihre Lese-, Schreib- und Rechenkenntnisse aufwerten - Letzteres gratis. Asylwerber gehören nicht zur Zielgruppe: Solange sie im Verfahren sind, sollen sie sich nicht integrieren, lautet die Linie des Innenministeriums.

Verringerte Schülerhöchstzahl

Daher kamen junge Asylwerber bisher nur auf freigebliebenen Restplätzen in geförderte Maßnahmen - und solange die Betreuer-NGOs es bezahlen konnten. Diese Restplätze fehlen jetzt: Um die Unterrichtsqualität zu erhöhen, wurde in den neu finanzierten Kursen, die in Wien oft in den Volkshochschulen stattfinden, die Schülerhöchstzahl verringert.

Als Ausweg würden einzelne NGOs bereits ehrenamtlich organisierte Kurse ins Auge fassen, erzählt Wurzenrainer. Er meint, dass sich der Lernausschluss im Herbst weiter zuspitzen und auch auf andere Bundesländer übergreifen wird. Derzeit werde das Problem totgeschwiegen. Doch im Büro Frauenberger, bei der MA 17 und bei den Wiener Volkshochschulen reagiert man erstaunt: Problem habe man noch keines wahrgenommen. (Irene Brickner, DER STANDARD, Printausgabe, 3./4.3.2012)