Bild nicht mehr verfügbar.

Ein Mann fotografiert das Wrack der Costa Concordia vor Giglio. In Grosseto sollten sich Richter, Anwälte und Opfer auf Sachverständige einigen, die das Unglück untersuchen werden.

Foto: Reuters/Sposito

Im Teatro Moderno bleibt der Vorhang am Samstag geschlossen. Das Bühnenbild zum Musical Schneewittchen bleibt den Besuchern des Theaters von Grosseto pietätvoll verborgen. Jene, die am Wochenende in den 1000 Menschen fassenden Saal strömen, müssen keine Eintrittskarten vorweisen, sondern eine Vorladung des Gerichts. Viele schleppen Aktenordner und Laptops mit. Grosseto ist am Samstag Schauplatz des ersten Gerichtstermins zum Unglück der Costa Concordia, deren Wrack rund 50 Kilometer entfernt auf den Felsen der Insel Giglio liegt.

Exakt 4230 Personen hat die Untersuchungsrichterin Valeria Montesarcho zur "Anordnung von Beweissichtungsannahme" geladen - nach Ländern geordnet, von Albanien bis Vietnam. Da schien es angebracht, den Termin ins Stadttheater zu verlegen, um Gedränge zu vermeiden. Das wiederum führte besonders bei US-Medien zu Missverständnissen, die sich im Gericht nach den Preisen für einen Sitzplatz erkundigten. Im Grunde ist der Termin im Stadttheater ein banales Ereignis: Richter und Anwälte sollen sich auf Sachverständige zur Analyse von Bordcomputern und Fahrtenschreiber des Unglücksschiffs einigen und diese ernennen. Doch wenn es um die Costa Concordia geht, werden auch banale Anlässe zum Medienereignis.

Schule bleibt geschlossen

Die beschauliche Provinzstadt Grosseto in der einst vom Habsburger Großherzog Leopold II. entsumpften Maremma Toscana hat jedenfalls vorgesorgt. Die Piazza Tripoli neben dem Teatro Moderno ist für die Medien reserviert, denen der Zugang zum Gerichtstermin verwehrt bleibt - eine dankbare Schaubühne für Anwälte, die Sammelklagen vorbereiten oder Costa-Verantwortliche entlasten wollen. Die Stadtverwaltung hat den Verkehr um das Theater umgeleitet, das nahe Rosmini-Gymnasium bleibt zur Freude der Schüler geschlossen.

Fünfsprachige Hinweisschilder weisen den mehreren hundert erwarteten Anwälten, Sachverständigen und Passagieren den Weg. Auch die Gastronomen haben sich auf das Ereignis eingestellt und bieten Speisen zum Mitnehmen an.

Indessen sickern neue Details aus den 5240 Seiten Ermittlungsakten durch. Ehemalige Costa-Bedienstete klagen über "Drogen und Prostitution" auf den Kreuzfahrtschiffen. Sie habe Offiziere mehrmals beim Kokain-Konsum gesehen, berichtet eine Krankenschwester. Eine andere Bedienstete erklärte, Offiziere und Besatzung seien häufig betrunken gewesen.

Drogen und Prostitution

Sie sei von einem unter Drogeneinfluss stehenden Besatzungsmitglied auch belästigt worden, behauptet die Krankenschwester. Die Akten enthalten auch neue Details über den Kapitän der Costa Concordia. So soll Francesco Schettino bereits im Juni 2010 von der Hafenbehörde in Warnemünde wegen zu hoher Geschwindigkeit verwarnt worden sein.

All das steht in Grosseto freilich nicht zur Diskussion. Schon am Sonntag kehrt das Teatro Moderno wieder zur Schneewittchen-Inszenierung zurück. (Gerhard Mumelter aus Grosseto, DER STANDARD, Printausgabe, 3./4.3.2012)