Edlinger: Was man alles aus Britney Spears machen kann: "Oops, we do it again", heißt es auf der Website des Critical Crafting Circle, der für Handwerk und "neue Häuslichkeit" wirbt. Damit ist das gute alte Stricken, Häkeln und Nähen gemeint, aber angeschlossen an einen punkigen Do-it-yourself-Gestus.

Ausgerechnet die ewig belächelte und stigmatisierte Heimarbeit kriegt so jetzt einen frischen, anarchisch-feministischen Dreh und wird zum textilen Widerstand gegen industrielle Uniformität und die damit einhergehende Abwertung weiblicher Hand- und Hausarbeit umgedeutet. Beim " yarn bombing" (Garnbomben) und beim "guerilla knitting überziehen die aktivistischen Strickliesln die Welt da draußen mit genähten Graffiti und textilen Botschaften.

Bäume, Laternenmasten, U-Bahn-Sitze, Skulpturen, alles kriegt seine Naht ab. Die Strickguerilla schließt auch lose an die historische Frauenbewegung an. Schon die englischen Suffragetten haben mit textilen Bannern um Gleichberechtigung gekämpft. Manche dieser illegal eingepackten Garnbomben sehen aber nicht nur toll aus, sondern setzen auch die Tradition politischer Zeichensetzung im öffentlichen Raum mit knalligen und doch charmant-antimilitanten Mitteln fort: wenn etwa ein Panzer aus dem Zweiten Weltkrieg mit lila Stoff umhüllt wird und plötzlich dasteht wie ein belämmertes Exphallussymbol. Wird das feministische Culture-Jammen mit der Nadel am Ende gar den ausgeleierten Socken namens "Subversion der Zeichen" stopfen?

Divjak: I like! - Und ob es sich bei der wunderbaren selbstgemachten Zeichenvermehrung nun um idiosynkratische Bastel-Bricolagen mit mehr oder weniger subversivem Gestus handelt, ist so wichtig auch wieder nicht. Fest steht: "Do it yourself" liegt im Trend. Und das entgegen aller Kritik an der Marke Eigenbau. Der Alltag wird dank frei gewählter Arbeit bunter, die Welt wird immer schöner.

Ich sehe uns schon alle ein Hohelied auf Guerilla-Gardening-Aktionen singen und durch in Naturschutzgebiete verwandelte städteplanerische Brachlandgrauzonen spazieren, die mithilfe des couragierten Einsatzes illegaler "seed bombs", vulgo Samenbällchen, zu Artenvielfaltsalleen aufblühen konnten.

Auf unseren Häuptern: handfabrizierte, ganz und gar individuelle DJ-Ötzi-Naturollas in verschiedenen Hauttönen, und auch der Rest unserer Körper: zünftig in gendergemainstreamte, handgefertigte Biobaumwollprodukte gehüllt. Wer hätte das gedacht? Die Konsumentenmasse produziert gemeinsam auf State-of-theArt-Selbstversorgerbasis, die Benzinfresser werden in Stoff verpackt und stehen da wie überkommene Exmobilitätsartefakte. Schöne neue Handarbeits- und Renaturalisierungswunderwelt!   (DER STANDARD, Printausgabe, 3./4.3.2012)