Auch an den entlegensten Orten, wie hier mitten in einem Feld, lässt sich immer wieder Plastikmüll finden.

Foto: Rowin Höfer

Beim Anblick bestimmter Felder muss man schon genau schauen, um zwischen den Planen noch etwas Salat erkennen zu können. Im nächsten Geschäft ging es uns ähnlich - Plastik ist allgegenwärtig.

Foto: Rowin Höfer

An ein Landschaftsbild voller Treibhäuser mussten wir uns besonders im Osten Andalusiens gewoehnen. Dabei gingen wir durch Gegenden in denen der Anbau ein angenehmes Ausmaß annahm, aber auch durch welche, in denen man getrost von Übetreibung sprechen kann.

Foto: Rowin Höfer

Zwischendrin herrschen oft slumähnliche Zustände. Arbeiter wohnen in ausgetrockneten Flussbetten neben den Zelten, unter verbrauchten und schmutzigen Planen.

Foto: Rowin Höfer

Große Mengen an Plastikmüll werden hier erfreulicherweise gesammelt und hoffentlich ordnungsgemäß entsorgt oder recycled.

Foto: Rowin Höfer

Die gesamte Ausdehnung der Gewächshausansammlung um die Stadt El Ejido lässt sich nur von oben erkennen. Eine derart intensive Landwirtschaft kann weder für die Umwelt noch für uns Menschen verträglich sein.

Screenshot: Google Maps

Uns ist sehr wohl bewusst, dass bisherige Berichte über unsere Wanderschaft vielleicht den Anschein erwecken mögen, wir gingen höchst pessimistisch durch eine Welt, an der wir an allen Ecken etwas auszusetzen hätten. Doch verdanken wir - ähnlich anderen Reisenden - unserem positiven und objektiven Zugang sowie unserem Glauben an das Gute im Mensch die wertvollen und einzigartigen Erlebnisse. Das führt bisher zu einem wünschenswerten Verlauf der Reise.

Es ist aber auch so, dass wir uns als Teil einer Generation fühlen, die sich in Zukunft noch viel gravierenderen Problemen, insbesondere in Bezug auf unseren Lebensraum, konfrontiert sieht und  die eine weitere Verunstaltung nicht mehr mitansehen und noch weniger mitverursachen will.

Mit der Zeit gehen

Auch gehören wir zu jener Minderheit, die weniger an Wissenschaft, technischen Fortschritt, Konsum oder Geldstreben hängt, sondern eine Begeisterung für das Einfache und Wesentliche Leben spürt. Gemeinsam mit vielen jungen Menschen versuchen wir einen modernen Weg zu finden, harmonisch im Einklang mit der Natur zu leben, aber trotzdem mit der Zeit zu gehen. Wir wissen von der wunderbaren Verbindung allen Lebens auf der Erde, vom gefährlich fragilen Gleichgewicht dieses einzigartigen Systems und von der wichtigen, manchmal besorgniserregenden Rolle des Menschen.

Dadurch entstand ein Verantwortungsbewusstsein für unsere Taten und unsere Lebensweise, aber auch das Bemühen, Probleme zu thematisieren, die wider der Natur und damit uns selbst sind. Die verstärkte Aufmerksamkeit beim langsamen Gehen und bewussten Reisen bietet noch dazu eine hervorragende Möglichkeit, diese zu sehen, zu dokumentieren und anzusprechen. So zum Beispiel das Thema Kunststoff und dessen übertriebene Nutzung und hochgradige Verschwendung.

Das Sackerl als ewiger Begleiter

In den meisten italienischen Supermärkten mussten wir erleben, dass alles Obst und Gemüse nur mit Einweghandschuhen angefasst werden darf, bevor es selbstverständlich getrennt voneinander in Einwegplastiksackerl verpackt wird. Auch in kleinen Geschäften oder auf Märkten war die Situation nicht viel anders. Daher war unser Einkauf oft schon doppelt und dreifach verpackt, bevor wir überhaupt etwas dagegen sagen konnten. Und auch wenn uns rechtzeitig ein unverschämtes "no sacco per favor" gelang, wurde unser Wunsch nicht immer - und wenn - nur missmutig berücksichtigt.

Welch großes Ausmaß diese unnötige Verschwendung annehmen muss, erkannten wir an unserem eigenen Umgang damit. Innerhalb kürzester Zeit sammelten wir Unmengen an Plastiksackerl, weil  wir diese ja nicht nach einmaliger Verwendung wieder entsorgen wollten. So fanden wir alsbald in allen Winkeln, allen Ecken und Seitentaschen unserer Rucksäcke hauchdünnen Kunststoff vor. Ab diesem Zeitpunkt beschlossen wir kein weiteres Plastik mehr zu benützen, um etwas weniger an der Ressourcenverschwendung teilzunehmen.

Freilich begreifen wir die hygienischen Gründe für diese Sorgfalt, doch sollte, um das Thema ernst nehmen zu können, zuvor sichergestellt sein, dass die Lebensmittel frei von echtem Schmutz in Form von Pestizidrückständen sind. Dieses oberflächliche Reinheits- und Sauberkeitsgetue ist falsch und verlogen, nichts als Täuschung, wie wir meinen.

Eigene Sackerl sind verpönt

In Frankreich wurde uns die Hoffnungslosigkeit unseres Bemühens, keine Obstsackerl mehr zu benutzen, schnell bewusst gemacht. In einigen Geschäften, häufig jene globaler Supermarktketten,  durften wir keine mitgebrachten Verpackungen verwenden, sondern bekamen firmeneigene angedreht - mit aufgedruckten Logos. In anderen Läden nahmen eingeteilte Mitarbeiter unsere Sackerl an sich, um diese mechanisch zu verschließen, wodurch sie nicht mehr zu verwenden waren. Einwände dagegen wurden nicht toleriert oder gleich ignoriert, denn schließlich wurden diese Menschen ja nicht zum Denken oder eigenständigem Handeln angestellt.

Die Lösung schien uns einfach und logisch: Wir bräuchten bloß Supermärkte meiden und kleine Obst- und Gemüseläden aufsuchen. Nur ist es beim Gehen eben nicht so, dass man sich immer aussuchen kann, wo man konsumiert, da jeder Umweg große Anstrengungen bedeuten kann.

Mindestens ein Liter aus Plastikflaschen

In eine weitere Plastikzwickmühle gerieten wir dann spätestens in Spanien. Da das Leitungswasser wie in vielen Ländern des Südens mit Chlor und weiß Gott wievielen weiteren Giften angereichert ist, sehen wir uns gezwungen, abgefülltes Wasser aus der Flasche zu trinken. Zwar wissen wir nicht, um wieviel gesünder dieses in Anbetracht der Plastikrückstände wirklich ist, doch möchten wir unseren Sinnen trauen, die das behandelte Leitungswasser klar ablehnen. Welche Unmengen an Plastikmüll dadurch täglich anfallen müssen, lässt sich allein bei unserem Konsum von mindestens einem Liter pro Tag ausrechnen.

Zuguterletzt muss auch, wenn wir schon durch Andalusien gehen und hier über Plastik schreiben, das "Mar de Plasticos", die weltgrößten Konzentration von Intensivkultur, erwähnt werden. In der Provinz Almeria sind an die 350 Quadradkilometer mit Plastikplanen bedeckt. Darunter gedeihen Millionen Tonnen an Obst und Gemüse, nicht selten unter Zuhilfenahme starker Gifte. Denn neben den hauptsächlich für den Export bestimmten Früchten fühlen sich im warmen, feuchten Klima der Gewächshäuser auch deren so genannten "Schädlinge" äußerst wohl.

Leben in Plastikbarracken

Wer sich hingegen ganz und gar unwohl fühlt, sind die zahlreichen meist nordafrikanischen Erntehelfer, die für Hungerlöhne mit allen möglichen Spritzmitteln hantieren, damit die makellosen Designerfrüchte auf unseren Tellern landen. Dabei müssen diese Arbeiter tagtäglich auf Beschäftigung hoffen und oft vergebens an den Straßen und Kreuzungen rund um die Treibhäuser warten, bis sie spätabends entweder enttäuscht oder todmüde in ihre Elendsbehausungen aus schmutzigen, verbrauchten Planen oder in verlassene Ställe und andere Ruinen zurückkehren.

Um die Stadt El Ejido nimmt die Ansammlung von Treibhäusern ein derart großes Ausmaß an, dass wir einen ganzen Tagesmarsch durch dieses Plastikplanenzentrm benötigten. Der ganze Küstenstreifen, ja das gesamte Tal, ist hier flächendeckend mit Planen bedeckt und erst beim Durchgehen erkannten wir, dass sich nicht nur auf den Dächern, sondern nahezu überall, Plastik befindet. Zwischen den Häusern, auf Straßen, Strommasten, in Kanälen und Flüssen. Es führt also definitiv kein Weg am Plastik vorbei. (Rowin Höfer, Marvin Fritz, derStandard.at, 5.3.2012)