Wien - Der Steuerrechtsexperte Werner Doralt sieht in den Steuerabgaben von Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser die Ausnützung einer Gesetzeslücke, die mittlerweile nicht mehr zum Tragen komme. Laut Doralt hat Grasser für seine Steuerleistung eine Konstruktion gewählt, die das Finanzministerium bis vor zwei Jahren toleriert habe. "Es handelt sich um eine Steuervermeidung", sagte er am Freitag im Ö1-Mittagsjournal.

Und so funktioniert diese Steuerschonung: Man lässt sich für eine Beratungsleistung nicht direkt Geld vom Kunden überweisen, sondern schaltet eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung dazwischen. "Aber die Gesellschaft bin ja auch wieder ich. Und bloß durch das Zwischenschalten einer GesmbH kann ich mir eine Steuer von etwa sechs Prozent ersparen", rechnete Doralt vor. Das deshalb, weil eine GmbH den Gewinn mit 25 Prozent Körperschaftssteuer zu versteuern habe. Für den Ertrag, der dann übrig bleibt, werden dann 25 Prozent Kapitalertragssteuer fällig. Unterm Strich macht das eine Gesamtsteuerbelastung von knapp 44 Prozent - im Vergleich zum Spitzensteuersatz der Einkommenssteuer von 50 Prozent. Die Differenz von sechs Prozent sei bei Millionenbeträgen "kein Pappenstiel", so Doralt.

Steuerlücke

Die von Grasser gewählte Konstruktion, ihm persönlich zuzurechnende Beträge über eine GmbH zu versteuern, bewertet Doralt als "langjährige, vom Finanzministerium geduldete Missbrauchskonstruktion". Es würden aber viele Bürger versuchen, die Grenzen des Steuerrechts auszureizen. Das Finanzministerium sollte darauf achten, dass es zu solchen Steuerlücken nicht kommt, so Doralt: "Aber wie man an diesem Beispiel sieht, ist das Finanzministerium leider nicht immer in einer Situation, wo es das macht, was es tun sollte."

Grasser habe offenbar auch erheblichen Berateraufwand betrieben, sagt Doralt, "und da stellt sich unter dem Strich immer die Frage, ob sich das auszahlt gegenüber der ersparten Steuer. Aber die Leute werden schon wissen, was sie tun."

Grasser Anwalt Manfred Ainedter betont auch heute wieder, dass sein Mandant über seine Firma über eine Million Euro an Körperschafts- und Kapitalertragssteuern gezahlt hat. Details wollte Ainedter gegenüber Ö1 nicht nennen. Grasser sei nicht bereit, seine Steuererklärung öffentlich zu machen. (APA)