Mit dem "größten Sparpaket aller Zeiten", 70% ausgabenseitig, aber nur ca. 15% nachhaltig, wird die Staatsschuld 2016 rund 11 Milliarden geringer sein als ohne. Also "nur" 250 Milliarden nach 200 Mrd. 2010. Notfallrettung zum Überleben für Budget und Pensionen, freilich eher im Wachkoma. Rehabilitation unbestimmbarer Dauer und Genesungschancen hat gerade erst begonnen.

Ambitionierte "zwei bis drei" Jahre länger arbeiten bis 2020 entspricht genau der Zunahme der Lebenserwartung, ist also keine Konsolidierung. Wie zukunftsreich sind die angekündigten Pensions-"Hämmer" im Vergleich?

"Richtige Hämmer"?

Am 14.9. 2011 hatte das Parlament beschlossen, die Anhebung des Frauenpensionsalters von 60 auf 65 von 2020-2032 auf 2014-2026 vorzuziehen. Am 22.12. beschloss es die Anhebung schon 2012 von 60 auf 62 (F) und von 65 auf 66 (M), bis 2018 für alle auf 66, 2022 auf 67 Jahre. Frauen müssen um 6 Jahre in 6 Jahren, 7 Jahre in 10 Jahren länger arbeiten - und 10 Jahre früher als noch vor einem halben Jahr geplant. All das freilich im benachbarten Italien!

Bei uns dagegen muss bis 2024 nicht ein einziger Monat (à 100 Millionen Euro Ersparnis) länger gearbeitet werden und Frauen erst 2034 das gesetzwidrig ungleiche Pensionsalter aufgeben. Allein die bis dahin fünf Jahre höhere Lebenserwartung wird sechs Milliarden, das niedrigere Frauenalter zweistellige Milliardenbeträge kosten. In England wird das gesetzliche Alter von 65/60 auf 66 bis 2020, also um bis zu 6 Jahre in 8 Jahren angehoben. In Deutschland ganz sanft ab 2012 je 1 Monat bis 2024 von 65 auf 67, für beide Geschlechter. Dänemark wird das Pensionsalter von 65 auf 71,5 Jahre anheben, behutsam bis 2050, 1 bis 2 Jahre pro Jahrzehnt - also weniger als der Zuwachs an Lebenserwartung und damit pensionsverlängernd!

In Deutschland Nullrunden für Pensionen 2004, 2005, 2006 und 2010, in Italien keinerlei Wertsicherung über 936 Euro Rente 2012 und 2013, teilweise sogar Mindestrenten wurden seit 2010 in Spanien, Portugal, Bulgarien, Lettland, Estland, Irland usw. völlig eingefroren, oft über mehrere Jahre. Kraftlackelig: "richtige Hämmer".

Nichts davon kommt auch nur entferntest in Österreich, obwohl es europäischer Ausreißer ist: zweithöchste Pensionsausgaben, sehr schnelle Alterung, chronisches Defizit von dzt. 14 Milliarden jährlich, höchster staatlicher Zuschussbedarf von einem Drittel, 90% vor 65 im Ruhestand, usw.

Was fehlt am meisten?

Schade, dass selbst bahnbrechende Neuerungen wie die Abschaffung der Parallelrechnung im Pensionskonto gegen vertane Chancen verblassen: Kein Pensionssplitting statt Witwenpensionen (4,6 Mrd). Untragbare Sonderpensionen (Altpolitiker, OeNB, SV, ORF, 500 Mio.) bestehen fort - teils völlig unbesteuert. Malus auch für Firmen (experience rating) kommt nicht. Beamte haben nur eine "verzögerte Bezugserhöhung" (GÖD), keinerlei Strukturbeitrag. "Hacklerei" unangetastet, für Beamte unfassbare 5 Jahre früher als für Arbeiter. Und wo genau bleibt die Abschaffung der Frühpensionen für Beamte und Eisenbahner?

Weshalb Invaliditätspensionen statt "Reha-Geld" ausgerechnet über 50, wo 73% anfallen, weiter bestehen ist systemunlogisch und ein Einfallstor für fortgesetzte IP-Wellen. Berufsunfähigkeit gehört in jedem Erwerbsalter ausgegliedert und 6 Mrd. in die Kranken-, Unfall- oder ALV verlagert - mit entsprechenden Verhaltensänderungen. Dass die Regierung vage Sozialpartnervorschläge aus Ischl nicht durch Zielvorgaben präzisierte, macht stutzig: ein Erfolg wie in Holland bedeutete 2017 nur 425.000 statt 466.000 IP, nur 10.000 statt 30.000 Neuzuerkennungen jährlich, eine Kostenersparnis von etwa 460 Millionen Euro, danach um etwa 225 Mio. jährlich ansteigend. Das allein wäre mittelfristig fast 1,5 Jahre höheres faktisches Antrittsalters aller Direktpensionen. Davon leider kein Wort.

Völlig ignoriert die Regierung die Vorschläge des neuen EU-"Weissbuchs für angemessene, sichere und nachhaltige Pensionen" (16.2. 2012): so fehlen eine "Koppelung des Ruhestandsalters an die steigende Lebenserwartung" (240 Mio. jährlich, 62% der OECD-Länder), ein "Abbau der Rentenschere zwischen den Geschlechtern" bzw. "das Ruhestandsalter für Männer und Frauen anzugleichen"(bis zu 1.3 Mrd p.a.), als Zugeständnis an teils unsäglich dumme und reaktionäre verbreitete Vorbehalte. Offenbar wissen wir alles besser als die beiden letzten (sozialdemokratischen) EU-Sozialkommissare, die Mehrzahl der Länder und ausnahmslos alle ExpertInnen.

Worst practice an Hybris "wir schulden nichts, wir zahlen nicht" war bis zu allerletzt Griechenland: Pensionsalter 61 (Ö:58), 95% (Ö: 77%) freiwillig in Frühpension, 20-22 Jahre Rentenbezug (Ö: 22-27), 111% (!) Nettoersatzrate, also Pensionen höher als Aktivbezüge (Ö: 90 %), Lebenspensionssumme Frauen 609.000 $ (Ö: 608.000 $), das ist 21% über OECD-, 42% über EU27-, 165% über Japan, 207% über US-, 603% über slowakischem - und 8% über deutschem Niveau. Die griechische Tragödie war auch durch nobelste Solidarität von Deutschen, Österreichern, SlowakInnen usf. nicht mehr abzuwenden. Und wer wird uns beistehen, wenn heute schon jeder dritte Pensionseuro ungedeckt ist, aber einmal nicht mehr umgeschuldet werden kann?

"Hackeln bis 65 ist möglich - das muss in unsere Hirne." (Rudolf Hundstorfer) Und vor allem, dass es nötig ist.  (DER STANDARD; Print-Ausgabe, 3./4.3.2012)