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Aus biologischer Sicht ist 38 Jahre für eine Schwangerschaft die Grenze.

Kinder sind wunderbar. Aber auch unvorstellbar anstrengend, wenn sie nachts oft aufwachen, ständig getragen werden wollen oder - schon älter - mit Tobsuchtsanfällen ihre Trotzphasen durchleben. Solche Situationen erleben fast alle Mütter, aber irgendwie erleben sie 25-Jährige im Vergleich zu über 40-Jährigen als weniger anstrengend. Sind diese eigentlich noch fit genug für diesen Job? Rein biologisch betrachtet, fällt die Antwort bitter aus: Der Körper sagt Nein. Statistisch gesehen liegt die Chance, mit über 40 Jahren ohne Nachhilfe schwanger zu werden, bei unter zehn Prozent pro weiblichen Monatszyklus. Das liegt an dem begrenzten Vorrat von Eizellen. Ihre Vorstufen werden noch vor der Geburt angelegt. In einem weiblichen Embryo im sechsten Schwangerschaftsmonat liegt die Zahl der Eizellen mit 1,5 Millionen am höchsten. Bis zur Pubertät bleiben von diesen Follikeln noch etwa 400.000 übrig, mit 35 Jahren sind noch etwa 35.000 Eizellen vorhanden - das mag ausreichend klingen. Doch auch die Eireifung funktioniert oberhalb der magischen 35 nicht mehr so reibungslos wie mit Mitte 20. Die Folge: Es kommt häufiger zu Zyklen ohne Eisprung. Die Chance, überhaupt noch schwanger zu werden, schwindet.

"Früher habe ich mich in die Familienplanung meiner Patientinnen nicht eingemischt", sagt Christine Biermann. Sie ist Frauenärztin in Hamburg und hat bereits vor 16 Jahren die erste Auflage des Buches In diesem Alter noch ein Kind? geschrieben. Während in den 70er- und 80er-Jahren das Alter, in dem Frauen das erste Kind bekommen, bei 23 Jahren lag, stieg es österreichweit bis 2011 auf 29 Jahre. Jedes fünfte Kind wird von einer Mutter über 35 Jahren geboren.

Neue Rollenbilder

Die Gründe: Frauen sind höher qualifiziert, haben längere Ausbildungszeiten und stehen mit Männern im Arbeitsleben in Konkurrenz. Schließlich erwarten nicht nur die Frauen, sondern auch die Gesellschaft, dass sie nach einer Kinderauszeit wieder in den Beruf einsteigen. Gleichzeitig sind immer weniger Männer bereit, schon mit Anfang 30 Vater zu werden - "ein Wettlauf gegen die Zeit", so Biermann.

Daher greift sie heute ein, wenn eine 37-Jährige noch für die nächsten weiteren zwei bis drei Jahre mit einer Spirale verhüten möchte. "Die meisten Frauen machen sich keine Vorstellung davon, dass das Kinderkriegen jenseits der 38 schwierig werden könnte", sagt sie. Dann müssen Hormonbehandlungen oder künstliche Befruchtung nachhelfen. "Und auch da haben Frauen falsche Erwartungen. Das klappt nur zu etwa 15 Prozent", weiß Biermann aus Erfahrung. Ganz abgesehen davon, dass Schwangerschaften von Frauen, die älter sind als 35 Jahre, mit Komplikationen verbunden sein können.

Doch gibt es durchaus auch "gute" Seiten. Seit sich das Gebäralter der Mütter verschiebt, untersuchen Wissenschafter, welche Auswirkungen dies für Kinder haben könnte. Studien zeigen: Ältere Mütter stellen ihren Lebensstil besser auf den Nachwuchs ein. "Über 35-jährige Frauen leben gesünder, verzichten auf Zigaretten und Alkohol, treiben Sport - das tun Mittzwanzigerinnen oft nicht", so Biermann.

Harald Werneck, Entwicklungspsychologe von der Universität Wien, verglich jüngere und älterer Mütter: Gerade die "alten Mütter" kommen besser mit ihrer neuen Rolle zurecht. Sie gehen gelassener, empathischer und konsequenter auf ihre Kinder ein. Denn meist leben älter Mütter in stabilen Partnerschaften und haben sich beruflich bereits qualifiziert. "Wir fanden heraus, dass ältere Mütter ihren Nachwuchs viel mehr als Bereicherung denn als Belastung empfanden" , sagt Werneck. Vielleicht, fügt er hinzu, weil es sich fast immer um Wunschkinder handle. Nur in einem Punkt können die späten Mütter nicht mithalten: "Ihnen macht die körperliche Belastung mehr zu schaffen", sagt Werneck. Und auch kindliche Tobsuchtsanfälle lassen sich mit 40 Jahren nicht mehr so gut aushalten. Dieses Gefühl ist sogar wissenschaftlich fundiert: Denn mit zunehmendem Alter sinkt die Fähigkeit, unangenehme Reize zu unterdrücken - sogar im Wissen, dass das Teil einer Phase ist, die auch vorübergeht. (Edda Graber, DER STANDARD Printausgabe, 05.03.2012)