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In München gibt es aktuell um 31.000 Wohnungen zu wenig, in Frankfurt/Main fehlen 17.500, in Hamburg sind es 15.000 Wohneinheiten.

Die Deutschen werden weniger - aber nur am Land. Dort stehen drei Millionen Wohneinheiten leer, während die Metropolen unseres nördlichen Nachbarlands stärkere bis starke Bevölkerungszuwächse aufweisen. "Die laufende Verlagerung der Bevölkerung in die Städte führt zu Leerstand und Wohnungsknappheit, in einigen Städten kann bereits wieder von Wohnungsnot gesprochen werden", schreiben deshalb die Autoren einer Studie des Eduard-Pestel-Instituts Hannover, die am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde.

"Nach und nach demontiert"

Ursachen dafür sind neben der anhaltenden Landflucht die weiter zunehmende Singularisierung - also der ungebrochene Anstieg an Single-Wohnungen bzw. Ein-Personen-Haushalten in den Ballungsräumen - sowie die 2006/2007 schlagend gewordenen strukturpolitischen Änderungen in der Wohnraumschaffung. Die neue Wohnungsnot, die auch nach Ansicht der Autoren einer weiteren aktuellen deutschen Studie bereits evident ist, sei nämlich nicht überraschend gekommen, sondern war "vorhersehbar und vorprogrammiert". So seien die drei tragenden Säulen der Wohnungsbauförderung in Deutschland "nach und nach demontiert worden", kritisieren Volker Eichener, Jonas Bengtsson und Daniel Heinrich.

Bis 2017 drohe nun eine Versorgungslücke von bis zu 400.000 Mietwohnungen, zu diesem Schluss kommen die drei Wissenschafter von der EBZ Business School in Bochum in der von der Aktion "Impulse für den Wohnungsbau" beauftragten Studie.

Lücke von bis zu 825.000 Mietwohnungen

Nach Ansicht der Experten des Pestel Instituts könnten sogar mehr als doppelt so viele Wohnungen, nämlich bis zu 825.000, nötig sein - nämlich dann, wenn sich der Neubau leistbarer Mietwohnungen nicht verdoppelt und auf mindestens 130.000 neue Wohneinheiten pro Jahr ansteigt. Allein in jenen zehn deutschen Großstädten, die den stärksten Wohnungsmangel haben, fehlen gemäß den Hannoveraner Forschern mehr als 100.000 Mietwohnungen. In München gibt es demnach aktuell um 31.000 Wohnungen zu wenig, in Frankfurt/Main fehlen 17.500, in Hamburg sind es 15.000 Wohneinheiten.

Wie es dazu kam, beschreiben die Bochumer Forscher: Zunächst erfolgte eine Schwerpunktverlagerung von der Neubauförderung zur Bestandsnutzung, die politischen Zuständigkeiten wurden überdies 2006 im Rahmen einer Föderalismusreform aus der Verantwortung des Bundes entlassen und vollkommen den Ländern übertragen. Im selben Jahr wurde die steuerliche Erleichterung des Baus von freifinanzierten Mietwohnungen zur Gänze gestrichen. 2007 schließlich wurde die Förderung des Baus von Eigenheimen vollständig abgeschafft.

Heute sei es "symptomatisch" für den Bedeutungsverlust der Wohnungspolitik, dass es kaum noch eigene Bau- und Wohnungsministerien in den Ländern gebe. In manchen deutschen Bundesländern seien die Innenressorts dafür zuständig, in Niedersachsen das Sozialministerium, in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz das jeweilige Finanzministerium. "Lediglich die Stadtstaaten weisen noch originäre Bauressorts auf - offensichtlich ein Indikator für die größere Nähe zur Problematik der Wohnungsmärkte", heißt es in der Studie der EBZ Business School.

Subjekt- statt Objektförderung

Kritisiert wird auch die Hinwendung zur Subjektförderung, die Deutschland europaweit einen der geringsten Anteile von Sozialwohnungen am Wohnungsbestand gebracht habe. "Länder wie die Niederlande, Österreich, Frankreich oder Schweden zeigen Sozialwohnungsanteile von 15 Prozent und mehr, während in Deutschland nur noch ein Anteil um vier Prozent erreicht wird."

Eichener, Bengtsson und Heinrich verbreiten mit ihrer Studie aber nicht nur Pessimismus - sie machen darin auch Vorschläge, was nun unternommen werden sollte. Wenn die Wohnungsnot nämlich "hausgemacht" sei, dann könne sie "durch eine Erneuerung der Wohnungspolitik auch wieder beseitigt werden". Sie schlagen höhere Kompensationszahlungen des Bundes an die Länder vor - die bisherigen Mittel in Höhe von 518 Millionen Euro pro Jahr, die noch dazu (wie die österreichische Wohnbauförderung) nicht laufend inflationsangepasst werden, würden in einigen Ländern "gerade einmal die Altverpflichtungen aus früher gewährten Förderzusagen abdecken". Gebot der Stunde sei auch, die Zweckbindung dieser Mittel "über das Jahr 2013 hinaus aufrecht zu erhalten" und diese Zweckbindung auf den Neubau von Wohnungen auszuweiten - zuungunsten der Förderung des Erwerbs von Bestandsobjekten. (map, derStandard.at, 1.3.2012)