Zum ersten Mal nach der umstrittenen Präsidentenwahl vor mehr als zwei Jahren gehen Iraner und Iranerinnen heute, Freitag, wieder an die Urnen: 3444 Kandidaten, unter ihnen 18 Prozent Frauen, bewerben sich um 290 Sitze im Parlament. Ein Drittel der Bewerber wurde im Vorfeld von der Wahlkommission abgelehnt. Wahlberechtigt sind rund 45 Millionen Menschen, unter ihnen 1,3 Millionen Erstwähler.
Aller Voraussicht nach werden drei konservative Gruppen die Sitze im neuen Parlament unter sich verteilen, da die Reformer und ihnen nahestehende Parteien und politische Organisationen entweder von der Wahl ausgeschlossen wurden oder die Wahl boykottiert haben. Aber alle Versuche der Konservativen, wenigstens für Teheran eine gemeinsame Liste aufzustellen, sind gescheitert.
Anhänger Ahmadi-Nejads unter Beschuss
Die besten Chancen rechnet sich eine Sammelgruppe der Konservativen unter der Schirmherrschaft des Sprechers des Gelehrtenrates, Ayatollah Mohammed-Reza Mahdavi Kani, aus. Die zweite Gruppe bilden die ehemaligen Anhänger von Präsident Mahmud Ahmadi-Nejad unter der Führung des konservativen Ayatollahs Mohammed-Taghi Mesbah Yazdi, die in letzter Zeit sichtbar versuchen sich von ihrem früheren Idol Ahmadi-Nejad zu distanzieren.
Die Anhänger Ahmadi-Nejads bilden die dritte Gruppe und wurden von beiden konservativen Gruppen im Vorfeld der Wahlen unter Beschuss genommen. Deswegen versuchen sie unbekannte Kandidaten, vor allem in den Provinzen, ins Rennen zu schicken. Viele abgespaltete konservative Gruppen haben getrennte Listen aufgestellt, so dass inzwischen mehr als zehn Listen allein in Teheran zur Wahl stehen.
Kandidaten brauchen Universitätsabschluss
Bei der letzten Parlamentswahl lag die Wahlbeteiligung bei 61 Prozent, bei der Präsidentenwahl vor zweieinhalb Jahren sogar bei 85 Prozent. Aller Voraussicht nach wird die Wahlbeteiligung bei dieser neunten Parlamentswahl einen negativen Rekord bringen, zumindest in den Großstädten. Auch Mohammed-Reza Bahonar, Vize des Parlamentspräsidenten, prophezeite eine minimale Wahlbeteiligung in Teheran, nachdem bekannt wurde, dass sogar mehreren Mitgliedern des jetzigen Parlaments die Kandidatur von der Wahlkommission untersagt wurde. Die Kriterien für eine Kandidatur wurden prinzipiell strenger, unter anderem müssen die Kandidaten einen Universitätsabschluss oder eine entsprechende Ausbildung vorweisen.
Das Regime hat vergeblich versucht, mit massiver Propaganda in den staatlichen Medien die Wähler zu mobilisieren. Auch das religiöse Oberhaupt des Iran, Ali Khamenei, forderte die Menschen in mehreren Ansprachen auf, ihre Loyalität zur Islamischen Republik gerade jetzt, da der Iran von vielen Ländern boykottiert wird, zu demonstrieren. Dass er bereits im Vorfeld sagte, die Leute würden in großer Zahl zu den Urnen strömen, ließ die Alarm glocken der Opposition läuten, die die Iraner und Iranerinnen aufrief, nicht nur nicht zu den Wahlen zu gehen, sondern zu Hause zu bleiben, um der Welt menschenleere Straßen zu zeigen. (DER STANDARD Printausgabe, 2.3.2012)