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Foto: APA/Patrick Seeger

Wien - Am Anfang stand die Frage: Wird das Wetter immer verrückter? Sie zu stellen, scheint gerade dieser Tage nicht unberechtigt, schließlich hatten die Quecksilbersäulen der Thermometer in den vergangenen Wochen enorme Wege zurückzulegen: Kürzlich noch minus 30 Grad, nun bald plus 20. Zwei Klimaforscher der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) in Wien sind dem Phänomen der Wetterkapriolen im Rahmen einer Langzeitbeobachtung auf den Grund gegangen - und stießen auf überraschende Ergebnisse.

"Zumindest was die Temperatur betrifft, wird das Wetter nicht 'verrückter'. In den vergangenen 140 Jahren ist es zwar deutlich wärmer geworden, aber die Temperaturschwankungen haben nicht zugenommen. Klimaerwärmung bedeutet also nicht zwingend einen heftigeren und häufigeren Wechsel von warmen und kalten Wetterphasen", so Michael Hofstätter. Sein Kollege Johann Hiebl ergänzte: "Interessant ist noch ein anderer Aspekt. Die Wechselhaftigkeit der Temperatur ist in den letzten Jahrzehnten zwar ganz leicht gestiegen, aber im 19. Jahrhundert waren sie auf einem gleich hohen Niveau - lange vor der vom Menschen hauptverursachten Klimaerwärmung."

Für die Untersuchung entwickelte Parameter

Für ihre Untersuchung haben die beiden Meteorologen statistische Parameter für die Temperaturvariabilität, also die Wechselhaftigkeit der Temperatur, entwickelt. Diese Parameter wurden für Wetterdaten (bis etwa 1870 zurück) sowie für verschiedene Regionen Österreichs ermittelt - und zwar für Wien, Kremsmünster (OÖ), Innsbruck, Graz und den Hohen Sonnblick (S). Wichtig für die Untersuchung langfristiger Trends waren möglichst lange, hochwertige, tägliche Temperaturreihen. Glück für die zwei Forscher: Die ZAMG, der älteste eigenständige Wetterdienst der Welt, hat tägliche Daten bis ins 19. Jahrhundert zur Verfügung.

Die Daten mussten für die Untersuchung speziell aufbereitet werden. Hofstätter: "Um wirklich die reinen Temperaturschwankungen von Tag zu Tag zu bekommen, haben wir alle überlagerten Schwankungen herausgefiltert. Dazu gehört zum Beispiel der bekannte normale Jahresgang der Temperatur, aber auch die je nach Jahreszeit unterschiedlichen Temperaturschwankungen. So gibt es im langjährigen Mittel im August und September immer die geringsten Temperatursprünge und im Jänner die größten. Diese Effekte mussten wir beseitigen, um direkt die Frage 'Werden die Temperaturextrema häufiger?' untersuchen zu können."

Ergebnis

Ihr Fazit: Während die Temperatur in den vergangenen rund 140 Jahren einen klaren Trend nach oben zeigt, nämlich plus 1,8 Grad, zeigen die drei Variabilitätsparameter keine klare Richtung. Im Detail: Von 1872 bis 1915 wurden die Temperaturschwankungen immer schwächer. Von 1915 bis 2011 wurden sie wieder ein wenig größer und sind jetzt in etwa auf dem Niveau des 19. Jahrhunderts. Hiebl: "Im Gegensatz zur Temperatur selbst zeigt die 'Verrücktheit' des Temperaturklimas keinen ausgeprägten Anstieg. Selbst etwas erhöhte Werte während der vergangenen Jahre sind uns aus dem späten 19. Jahrhundert bekannt - also lange vor dem anthropogenen Treibhausklima."

Den beiden Meteorologen zufolge gibt es in Österreich keinen Zusammenhang zwischen der Erwärmung und den Temperaturschwankungen. Hofstätter: "Vereinfacht gesagt: Die Klimaerwärmung bedeutet nicht zwingend einen heftigeren und häufigeren Wechsel von warmen und kalten Wetterphasen. Aussagen wie 'durch den Klimawandel gibt es immer stärkere Temperaturkapriolen' stimmen für Österreich somit nicht." (APA)