Wien - Ab April können eine Million EU-Bürger in sieben Mitgliedstaaten die Kommission veranlassen, sich mit einem bestimmten Politikbereich zu befassen: Am Mittwoch schaffte der Nationalrat die gesetzliche Grundlage für die Einführung ein solches Volksbegehrens, korrekt "Europäische Bürgerinitiative" genannt.

Das im Vertrag von Lissabon festgeschriebene Instrument wurde mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, FPÖ sowie Grünen - und damit mit Verfassungsmehrheit - abgesegnet. Nur das BZÖ, sonst eigentlich auch für seine Rufe nach mehr direkter Demokratie bekannt, sträubte sich als einzige Partei dagegen.

Woran sich das Bündnis konkret stößt: Dass durch die hohe Anzahl an erforderlichen Unterschriften erst recht wieder nur Parteien und große Gewerkschaften Einfluss auf die Union nehmen könnten. "Und grundsätzliche Forderungen zu EU-Verträgen sind erst gar nicht möglich", beschwerte sich Herbert Scheibner vom BZÖ. Außerdem müssten Unterstützer bei der Wahlbehörde ihren Pass oder ihren Personalausweis vorlegen. Dies seien schärfere Auflagen, als wenn man von seinem Wahlrecht Gebrauch mache, so Scheibner. Sein Befund: Die EU-Bürgerinitiative sei nichts anderes als ein "Placebo der direkten Demokratie".

Auch den Grünen missfällt, dass bei der Stimmabgabe ein Reisepass verlangt wird. Sie sorgen sich, dass damit Personen ohne dieses Dokument diskriminiert werden. Grundsätzlich freuen sie sich aber darüber, dass EU-Bürger bald aufbegehren können.

Die Freiheitlichen - allen voran Heinz-Christian Strache - fordern zudem für Österreich wie für die EU verbindlichere Instrumente der direkten Demokratie. Etwa, dass eine gewisse Anzahl an Unterstützungsunterschriften in eine Volksabstimmung mündet, deren Ergebnis dann bindend wäre. Sonst bleibe die neue Regelung nämlich ein " zahnloser Tiger".

Auch für SPÖ und ÖVP ist die "Europäische Bür-gerinitiative" noch kein Wunderwerk. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) sieht darin aber immerhin eine Chance, das Vertrauen der Bevölkerung in die Union wiederherzustellen.

Für die einzelnen Staaten gelten jedenfalls unterschiedliche Mindestzahlen für eine Unterstützung, in Österreich liegt die Schwelle bei exakt 14.250 Personen. Ein erstes Thema könnte etwa die Finanztransaktionssteuer sein, wofür einige Mitgliedstaaten längst eintreten. (nw, DER STANDARD, Printausgabe, 1.3.2012)