Mit den stetig steigenden, fast frühsommerlichen Temperaturen in London rücken gedanklich die bevorstehenden warmen Monate immer näher und damit auch die zwei großen Top-Veranstaltungen des Sommers. Beide werden die britische Hauptstadt in den Mittelpunkt der Weltöffentlichkeit rücken und Millionen von Besuchern an die Themse locken. Im Juni fängt alles an mit dem Diamond Jubilee, dem 60-jährigen Thronjubiläum der Queen.

Hunderttausende werden die Straßen säumen, um einen Blick auf die gekrönten Häupter zu erhaschen. Kaum wird das letzte Glas Champagner auf die Königin geleert sein, werden die Royalisten den Staffelstab den Olympioniken übergeben, die ab dem 27. Juli die Stadt fest in ihrer Hand haben werden. Es wird ein Sommer der Superlative.

Zwei Masterpläne

Die Vorbereitungen laufen seit Jahren und London will die Chance nutzen, das lange vernachlässigte East-End städtebaulich neu zu erschließen und zu definieren. Zehn Milliarden Pfund werden bis zur zentralen Eröffnungsfeier investiert, damit nicht nur die Olympischen Spiele ein Erfolg werden, sondern die Bezirke um Stratford auch nach den Wettkämpfen ihr neues Gesicht beibehalten. Der Chef der Olympic Delivery Authority (ODA) spricht daher sogar von "zwei Masterplänen". Eine Strategie, die auf Nachhaltigkeit setzt und Hoffnungen schafft, den angrenzenden Stadtteilen, die hauptsächlich von Migranten bewohnt werden, Perspektiven zu eröffnen. Neue Infrastrukturen wie Schulen, Bahnhöfe, Naherholungs- und Einkaufsmöglichkeiten sollen die Problembezirke aufwerten und zugleich ein positives Signal an die dort lebende Bevölkerung senden. Die Wunden der Krawalle vom August vorigen Jahres sind dort noch immer nicht ganz verheilt und das Verhältnis zu staatlichen Strukturen extrem belastet. So schenken viele der öffentlichen Hand kein Vertrauen und fühlen sich ausgegrenzt und vergessen. Olympia soll hier die Wende bringen.

Die Architektur der Olympiabauten erlaubt eine flexible Nachnutzung. So soll z. B. das Athletendorf bereits im Herbst dieses Jahres 2900 Familien ein neues Zuhause bieten. Eine Maßnahme, die beruhigend auf den immer kleiner werdenden Ost-Londoner Wohnungsmarkt wirken wird und besonders weniger solventen Kreisen ein würdiges Wohnen ermöglichen soll. Das Olympiastadion wird von 80.000 auf 60.000 Plätze zurückgebaut und dem Premier-League-Fußballclub West Ham United einen neuen Sitz geben.

Die Londoner Politik und Stadtentwicklung hat früh erkannt, dass Olympia wahrscheinlich ihre einzige Chance sein wird, den so angespannten Sozialstrukturen im Osten der Stadt eine neue Dynamik zu geben und den Staat zurückkehren zu lassen in Regionen, die zwischenzeitlich schon als rechtsfreie Zonen bezeichnet wurden. Der Erfolg dieser Mission hängt jedoch an einem seidenen Faden. Groß ist die Gefahr, dass die Viertel zur Spekulationsmasse von Großinvestoren werden, die statt sozialem Wohnungsbau eher Luxus-Lofts betreiben wollen. Der Staat darf die Fackel nicht aus der Hand geben, sonst entfacht sie womöglich ein neues Feuer, das den sich langsam festigenden sozialen Frieden für immer zerstören könnte.

Feuerprobe für die Stadt

Aber nicht nur städtebaulich wird Olympia eine Feuerprobe für die Politik und Stadtverwaltung. Die Sicherheitsbehörden werden sich besonders beweisen müssen, erhalten aber auch die Möglichkeit, ihren in letzter Zeit etwas gelittenen Ruf wieder aufzupolieren. Während der Feierlichkeiten werden 10.000 Polizisten und 13.000 Soldaten im Einsatz sein, um einen friedlichen und störungsfreien Ablauf zu garantieren. Inoffizielle Hochrechnungen rechnen mit Sicherheitsausgaben von einer Milliarde Pfund.

So viele Risiken die Spiele und ihre Auswirkungen bergen, so viele Chancen bieten sie auch dem von vielen Krisen und Rezessionen geschüttelten Großbritannien, wieder neue Stärken und Fähigkeiten zu zeigen, alte Fehler auszumerzen und sich der Welt neu zu präsentieren. (Ruben Alexander Schuster, derStandard.at, 28.2.2012)