Justizministerin Beatrix Karl stößt mit ihren Gesetzesvorhaben im Rahmen des Sparpakets auf Widerstand.

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Wien - Ein 20-Jähriger, der in alkoholisiertem Zustand die Bundeshymne herabwürdigt, muss zwingend vor einem Geschworenengericht angeklagt werden (Strafandrohung: sechs Monate Haft). Bei schwersten Vermögens- und Korruptionsdelikten mit einem Strafausmaß von bis zu zehn Jahren soll es hingegen künftig die Möglichkeit der Diversion geben, bei der das Verfahren gegen eine Geldbuße von 360 Tagsätzen und Schadenswiedergutmachung endgültig eingestellt wird.

Das vom Innsbrucker Strafrechtsprofessor Klaus Schwaighofer gewählte Beispiel ist nur eines von vielen, mit denen Experten ihre Kritik am neuen Entwurf von Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) illustrieren. Schwaighofer: In Zeiten, in denen über einen verstärkten Kampf gegen Korruption diskutiert werde, "wäre diese Novelle für das ohnehin angeschlagene Image der Justiz geradezu katastrophal". Stein des Anstoßes: Die Diversion, von Kritikern auch "Freikauf" von einer Haftstrafe genannt, soll künftig auch auf Delikte wie Amtsmissbrauch und Untreue mit einer Strafandrohung von bis zu zehn Jahren Haft angewendet werden.

Was Eckart Ratz, Präsident des Obersten Gerichtshof, besonders aufstößt: Karl will künftig die Diversion zusätzlich erleichtern, indem die hinreichende Klärung des Sachverhalts nicht mehr als Voraussetzung gilt. " Es steht zu befürchten, dass Prozessabsprachen im Ermittlungsverfahren ohne Verdachtsklärung in Großverfahren zur Regel würden", schreibt Ratz in seiner Stellungnahme zum Entwurf. Und: "Fehlen hinreichende Sachverhaltsklärung und Gerichtskontrolle, sind verfahrensbeendende Absprachen rechtsstaatlich besonders bedenklich". Nach Karls Vorstellungen könnte schon ein Anfangsverdacht "mit einer Geldzahlung ad acta befördert werden".

Schuldig, unschuldig

In diese Kerbe schlägt auch Schwaighofers Innsbrucker Kollege Andreas Venier. In seinen Augen sollte ein Gericht "wenigstens die Schuld des Täters für jedermann ersichtlich feststellen und damit zum Ausdruck bringen, dass für den Täter die Unschuldsvermutung gerade nicht mehr gilt". Er verweist darauf, dass schon die Verurteilung zu einer mäßigen Strafe den Verlust eines öffentlichen Amtes zur Folge habe. Nach einer Diversion gilt der Tatverdächtige hingegen als unschuldig. Auch ÖGB-Präsident Erich Foglar sieht die Novelle kritisch. Er befürchtet, dass Staat und Sozialversicherung bei nicht ausreichender Klärung von Fällen um Ansprüche umfallen.

Ebenso wie Karl verteidigen die Staatsanwälte die geplante Regelung grundsätzlich, weil damit Bagatellfälle rascher erledigt werden könnten. Ihr Vertreter Gerhard Jarosch ist überzeugt, dass durch zwei Einschränkungen keine schweren Korruptionsfälle zum Fall einer Diversion werden könnten: erstens, weil die Absprache bei schwerer Schuld nicht anwendbar sei; zweitens, weil die Generalprävention - die Abschreckwirkung - bedacht werden müsse. Jarosch räumt ein, dass die die Aufklärung der Fälle weiterhin gewährleistet sein sollte.

Auch bei der Reduktion der Gerichte gibt es Widerstand. Die Gewerkschaft erachtet die Abschaffung von Gerichtstagen in Arbeitsrechtssachen als " unzumutbar". Auch die Umorganisation von Gerichtszuständigkeiten lehnt Foglar ab. Ein Problem will Karl jetzt lösen. Von der Streichung der Bezirksgerichte sind zwei zweisprachige Häuser in Kärnten betroffen. Die Ministerin kündigt Gespräche mit der slowenischen Volkgsgruppe an. (Andreas Schnauder, DER STANDARD, Printausgabe, 28.2.2012)