Petra Navara ist Chefin des Vereins Globale Verantwortung. In ihrem Haus an der Alten Donau versucht sie, mit wenigen Dingen zu leben. Wojciech Czaja war zu Besuch.
"Ich wohne in einem Kleingartenhaus an der Alten Donau. Ich habe zwei U-Bahnen in der Nähe und eine eigene Autobahnabfahrt und wohne trotzdem mitten im Grünen. Zur Donau ist es nicht weit, und die Alte Donau liegt quasi vor der Haustür. Im Sommer zieh ich im Haus meinen Badeanzug an und gehe zum Wasser, im Winter schlüpf ich in die Eislaufschuhe und wackle über die Straße. Heuer war das Eis sehr dick, wir konnten rund zwei Wochen lang eislaufen. Ein Traum.
Die kleine Halbinsel ist eine klassische alte Gstettn. Bis zum Zweiten Weltkrieg war sie unbewohnt, während des Krieges wurde hier Bombenschutt abgelegt, in den Fünfzigerjahren wurde die Halbinsel dann mit ein paar Tonnen Erde bedeckt, parzelliert und den österreichischen Widerstandskämpfern verpachtet. Ein Grund voller Kriegsschutt als Wiedergutmachung für den Krieg. Sehr makaber, wenn Sie mich fragen.
Hierherzuziehen war für mich keine bewusste Entscheidung. Ich habe mich in das Haus vor rund 20 Jahren eingeheiratet und habe es vor zehn Jahren erschieden. Schicksal. Hat sich gut gefügt! Wir haben das Haus unzählige Male umgebaut. Ich kann mich erinnern: Die Küche und das Bad bestanden jahrelang nur aus einem ausgegrabenen Loch mit einem Holzbrettl in der Mitte, links und rechts waren drei Meter Abgrund mit Grundwasser in der Tiefe. Das geht an die Substanz!
1996 haben wir dann den Dachstuhl abgetragen und das Haus um ein Vollgeschoß aufgestockt. Das ist eine Modulbauweise aus Holz. Die Wände und das Dach wurden auf einem Lkw aus der Steiermark geliefert und vor Ort montiert. Gute fünf Stunden später war der erste Stock fertig. So stelle ich mir Bauen vor! Wir mussten Platz sparen, denn es ist alles sehr eng. Und nachdem es nichts Platzraubenderes gibt als Schränke, haben wir beschlossen, sogenannte "Ausbauschränke" zu machen. Sie ragen nun als hölzerne Erker aus dem Haus.
Insgesamt haben wir 85 Quadratmeter Wohnfläche. Zumindest im Winter. Im Sommer sind es circa 350 Quadratmeter. Dann wohnen wir quasi im Garten. Und es gibt allerhand Tiere: Mönchsgrasmücken, Zaunkönige und Gelbspötter, Molche, und im Frühling wird unser Garten von hunderten Erdkröten belagert.
Das Chaos in der Natur ist etwas Wunderschönes. Das urbane Gewimmel in der Stadt kann ich gerade noch aushalten. Die Dichte im Job kann ich ganz gut managen. Aber zu Hause in den eigenen vier Wänden, da brauche ich Ruhe und Entspannung.
Wir leben in einer "Zuvielisation", wir haben zu viel von allem und schütten uns permanent mit Konsumgütern und allerhand Zeugs zu. Ich halte diesen Ballast nicht aus. Ich miste regelmäßig aus und stelle Bücher und andere wertvollere Dinge bei schönem Wetter vors Haus, damit sich die Sonntagsspazierer selbst bedienen können. Das funktioniert ganz gut. Aber noch lieber wäre mir, wenn dieses Wegschmeißen gar nicht erst passiert, denn das ist eine enorme Verschwendung und Zerstörung von Ressourcen.
Wenn man in meiner Branche arbeitet, merkt man bald, wie verwöhnt wir eigentlich sind und wie glücklich wir uns schätzen müssen, so leben zu können, wie wir wollen. Das macht mich sehr demütig. Doch die eigentliche Trennung von den materiellen Gütern steht mir erst bevor. Im Sommer ziehe ich mit meinem Mann und meiner Tochter nach Uganda. Mein Mann übernimmt einen neuen Job, und ich gönne mir eine kleine Auszeit. Reduktion und Verlangsamung! Ich freue mich schon sehr darauf. Irgendwer muss dann auf das Häuschen aufpassen." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 25./26.2.2012)