Kleine Kulturgeschichte: Andrea Lumpleckers "Röcke tragen".

Foto: Museum der Moderne

Salzburg - Eine Frau mit Kalaschnikow-Gewehr und in Uniform, Kleidungsstücke, die verkehrt herum angezogen wurden, oder die Präsentation von Mode aus den Edelboutiquen der Weltmetropolen: Dass Kleidung nicht nur als Gebrauchsgegenstand wahrgenommen wird, sondern auch ästhetische Bedeutung hat und Aussagen über die soziale Stellung der jeweiligen Person transportiert beziehungsweise ein bestimmtes Selbstverständnis vermittelt, zeigt die Ausstellung Röcke tragen im Salzburger Museum der Moderne.

Der Titel der Schau ist einer seriellen Arbeit der oberösterreichischen Fotografin Andrea Lumplecker entliehen, in der die Künstlerin die soziale Bedeutung des Rocks und die damit verbundenen Rollenbilder untersucht. In neun Räumen thematisieren mehr als 70 Künstlerinnen und Künstler ihre Zugänge zur Kultur der Mode.Darunter finden sich Arbeiten von Valie Export, Erwin Wurm, Diane Arbus, Anselm Kiefer, Jürgen Klauke, Inge Morath und Cindy Sherman.

Zumeist handelt es sich um Fotografien, die mehrheitlich aus der hauseigenen Sammlung des Museum stammen. Mit den Sehkonventionen des Betrachters spielen Andrea Lumplecker, Michaela Göltl und Maria Hahnenkampf, die in ihren Bildern die Zuordnung geschlechtsspezifischer Kleidung hinterfragen. Erwin Wurm konterkariert die Modebranche, indem er die Models ihre Unterwäsche verkehrt anziehen lässt und diese, solcherart getragen, wie Zwangsjacken wirken.

Transition

In der Phase der Adoleszenz will man anders wahrgenommen werden. Unter anderem geschieht dies durch einen bestimmten Kleidungsstil. Unter dem Titel Transition thematisieren die Österreicherinnen Iris Andraschek und Lillian Birnbaum diesen Übergang vom Kindsein zum Erwachsenwerden anhand von pubertierenden Mädchen. Man findet sie in Badekabinen oder Fitnessstudios: vergessene Kleidungsstücke. In ihrer Serie Gehen inszeniert Michaela Bruckmüller solche Funde. Auch wenn diese Kleidung durch die fehlende Person quasi tot erscheint, gibt sie doch Auskunft über den einstigen Besitzer. Zu diesem Thema präsentiert Kaucyla Brook Bilder aus ihrer Serie Kathy Ackers Clothes. Brook inszeniert die eigenwillige Haute Couture der mit 50 Jahren an Brustkrebs verstorbenen US-Schriftstellerin, ohne die Underground-Literatin selbst auf den Fotos zu zeigen.Judith Huemer lässt aus Mustern und Schnitten farbintensive abstrakte Gebilde entstehen, die sich in einem halluzinogenen Farbrausch auflösen.

Punks und Schleier 

In einem eigenen Raum werden Kulturen modisch durchleuchtet. Von der Tracht bis zum Kimono, von verschleierten Frauen bis Punks, von als Mozart verkleideten Mitgliedern des Wiener Mozartorchesters bis zu Hochzeitskleidern.

Die Ausstellung liefert einen Querschnitt über Veränderungen der Mode und deren Einfluss auf die Gesellschaft. Nicht immer ist auf den ersten Blick durchschaubar, was gezeigt wird. Etwa Eva Schlegels verschwommene Aufnahmen von Models, die nur als Silhouetten wahrgenommen werden können und damit austauschbar sind. Bis 10. 6. (Christian Weingartner; DER STANDARD, Print-Ausgabe, 25.2.2012)