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Angriff zur Verteidigung: Medienmulti Rupert Murdoch investiert mit Sonntagsblatt in britischen Boulevardmarkt. Ein Signal an die skandalgebeutelte Redaktion. Und ein Signal für Print wie der Kauf des " Wall Street Journal" 2007.

Foto: Reuters/Lamarque

Zum Zusperren flog der 80-Jährige diesmal nicht nach Wapping. Wie 2011, als Rupert Murdoch im Abhörskandal binnen Tagen sein Sonntagsblatt "News of the World", kurz NoW, einstellte. Diesmal dreht Murdoch in der Londoner Verlagszentrale auf. Ebenso sonntags, mitten im nächsten Skandal. 2,67 Millionen Exemplare verkaufte "News of the World" zuletzt. Hunderttausende trieb Murdochs Schnitt zu "Sunday Mirror" und "The People". 1,3 Millionen Stück verkauft die britische Boulevardpresse sonntags weniger. Die will er mit der "Sun on Sunday" zurückholen. Wie oft schon zum Kampfpreis: Mit 59 Cent kostet das Sonntagsblatt nicht einmal die Hälfte der Konkurrenz. Beworben mit geschätzten 3,5 Millionen Euro.

"Familienfreundlich"

Murdochs Offensive gilt auch als Signal an die Redaktion. Die Boulevardprofis ahnten einen Dolchstoß, als Scotland Yard zehn leitende Redakteure festnahm unter dem Verdacht, sie verstießen jahrelang systematisch gegen Datenschutz und bestachen Polizeibeamte. Denn die Beamten stützen sich auf Erkenntnisse von Murdochs Ethikkommission, deren 100 IT-Spezialisten und Buchhalter seit Monaten Archive und Computer durchforsten. Bei der "Sun" kursierte, Murdoch wolle sich auf Druck von US-Aktionären vom teuren Zeitungsgeschäft auf der Insel verabschieden. Neben ekelhaftem, teilweise kriminellem Boulevard leistet sich Murdoch in Großbritannien hervorragenden Journalismus: Auslandsberichte der "Times", Enthüllungen der "Sunday Times" und deren Literaturbeilage etwa.

"Wozu besitzen wir diese Zeitungen?", zitiert Murdoch-Biograf Michael Wolff Aktionäre des 37 Milliarden Euro schweren Medienriesen News Corp. "Times" und "Sunday Times" verloren zuletzt 48 Millionen Euro. Lange fingen solche Verluste "News of the World" und "Sun" ab, die allein 80 Millionen einspielt. Doch leidet das Revolverblatt wie die Branche unter sinkender Auflage. Nun soll die Sonntagsausgabe einen Teil der NoW-Profite wieder hereinholen. Immerhin: Das Thronjubiläum von Queen Elizabeth II, Fußball-EM und Olympische Spiele sind Ereignisse, die Anzeigenkunden schätzen. Für sie dürften die "Sun" sonntags " familienfreundlich" vorgehen, ohne blanke Brüste und Enthüllungen, was echte und vermeintliche Promis treiben.

150 Millionen Euro

Geld braucht der Konzern schon für Entschädigungen aus dem NoW-Skandal, bisher 150 Millionen Euro. Zuletzt nahm die Sängerin Charlotte Church ihre Millionenklage zurück und bis zu 590.000 Euro Entschädigung an. Dieses Frühjahr dürfte Lordrichter Brian Stevenson Murdoch wieder einfliegen lassen: Eine nach ihm benannte Kommission brütet über mehr staatlicher Aufsicht für Medien, den Medienmulti wollen sie dazu anhören. Erziehungsminister Michael Gove lieferte Murdoch die Woche Anregungen für seinen Auftritt dort: Vor "Abschreckung für Meinungsfreiheit" und "Medizin, die schlimmer ist als die Krankheit", warnte Gove. Er schrieb früher Kolumnen für Murdochs "Times". (Sebastian Borger aus London/DER STANDARD; Printausgabe, 25./26.2.2012)