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Die Vergangenheit spielt auch in der Gegenwart eine große Rolle. Bei Protesten gegen die rumänische Regierung wird auf den ehemaligen rumänischen Diktator Ceausescu Bezug genommen.

Foto: AP/Ghirda

Bukarest - 22 Jahre nach der politischen Wende in Rumänien 1989 ist immer noch umstritten, ob es sich dabei um eine spontane Volkserhebung oder eher um einen von langer Hand geplanten Staatsstreich gehandelt hat. Dies bestätigt die jüngste Studie des rumänischen Instituts für die Untersuchung der Verbrechen des kommunistischen Regimes (IICCMER) in Zusammenarbeit mit dem Markt- und Meinungsforschungsinstitut CSOP.

Demnach bleiben für "eine äußerst große Mehrheit" von 62 Prozent die Ereignisse vom Dezember 1989 weiterhin unklar. Noch mehr - 65 Prozent - sind überzeugt, dass diejenigen, die sich der damaligen Verbrechen schuldig machten, nicht bestraft worden sind.

Keine stringente Geschichtsschreibung

Laut den Autoren der Studie ist daraus auf ein zweifaches Scheitern zu schließen. Einerseits habe die Justiz die Schuldigen nicht zur Verantwortung gezogen, andererseits sei es Geschichtsschreibung und Politikwissenschaft nicht gelungen, eine allgemein akzeptierte Version der Wende zu formulieren. Obwohl es über 1.000 Todesopfer gab, ist bis heute ungeklärt, wer geschossen hat und wer die Drahtzieher waren.

39 Prozent der Befragten geben dem kommunistischen Geheimdienst Securitate die Schuld, 31 Prozent glauben, dass der damals standrechtlich hingerichtete Diktator Nicolae Ceausescu dafür die Verantwortung trägt, und 27 Prozent halten die Führung der Kommunistischen Partei (PCR) für schuldig. Nachdem Ceausescu der Armee wegen "terroristischer Aktionen ausländischer Spione" den Schussbefehl erteilt hatte, glauben immerhin 14 Prozent der Rumänen heute noch, dass diese "Terroristen", von denen bisher kein einziger identifiziert wurde, auf die Bevölkerung geschossen hätten.

Rumänen wollen Justizverfahren gegen Revolutionsverbrecher

"Unter den konkurrierenden Diskursen übt die Version der ehemaligen Kommunisten, die zu Revolutionären und Demokraten konvertierten, immer noch einen starken Einfluss aus", kommentiert die Studie und nennt den ehemaligen Ceausescu-Vertrauten, hohen KP-Funktionär, dann Revolutionsführer und langjährigen Staatspräsidenten Ion Iliescu und dessen "Institut der rumänischen Revolution" als Beispiel für Sichtweisen der Dezemberereignisse, "die nicht immer wissenschaftlich akkurat" sind.

Dennoch unterstützen immer mehr Rumänen die Bemühungen um Justizverfahren gegen Revolutionsverbrecher. Die Verurteilungen der Generäle Victor Atanasie Stanculescu und Mihai Chitac für die blutige Repression des Volksaufstandes in der südwestlichen Stadt Timisoara (Temeswar) befürworten 39 Prozent der Befragten, nur 20 Prozent empfinden sie als ungerecht. 47 Prozent sind zudem der Meinung, dass die Justizverfahren gegen die Verbrecher der Revolution fortgesetzt werden sollten.

40 Prozent: Rumänien hat sich nur wenig von Kommunismus entfernt

Hatte die Vorgängerstudie im Mai 2011 noch festgestellt, dass über 60 Prozent der Rumänen den Kommunismus für eine "gute Idee" hielten, wird in der aktuellen Umfrage festgestellt, dass 44 Prozent dessen Zusammenbruch als vorteilhaft empfinden, gegenüber 34 Prozent, die ihn als Nachteil beurteilen. Gleichzeitig schätzen aber 40 Prozent der Befragten, dass sich das Land nur wenig vom Kommunismus entfernt habe.

Eher wenig gesellschaftliche Zustimmung findet hingegen die offizielle Verurteilung des Kommunismus als "verbrecherisches Regime" durch Präsident Traian Basescu 2006 vor dem Parlament - nur 26 Prozent sehen darin eine wichtige Geste. Dass auch die sogenannte Lustration, das heißt das zeitlich beschränkte Verbot für ehemalige Parteikader, politische Ämter zu bekleiden, wenig Unterstützer findet, und auch die Identifizierung der Securitate-Spitzel durch die eigens dazu eingerichtete Behörde kaum als Notwendigkeit empfunden wird, erklärt die Studie mit der Tatsache, dass viele Rumänen der Meinung sind, nicht unter dem Kommunismus gelitten zu haben, sondern sich integriert fühlten, vor allem, wenn sie selbst von der Partei oder dem Geheimdienst rekrutiert worden waren.(APA)