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Tabu Hundefleisch: In westlichen Ländern undenkbar, in einigen asiatischen Ländern ganz alltäglich.

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Der Panda hat's einfach: Durch seine Ähnlichkeit mit uns, sein Fell und die überbetonten Augen wird er von den meisten Menschen als liebenswert wahrgenommen.

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Der chinesische Riesensalamander hat es nicht so einfach auf der Sympathieskala: Er ist unbehaart, braun und hat kleine Knopfaugen.

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Japanische Kinder bei einem Boxkampf ihrer Hirschkäfer. Wirbellose Tiere werden in Japan durchaus als Haustiere gehalten.

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Welche Rolle spielte der Fleischverzehr für die menschliche Entwicklung? Dürfen jährlich Millionen von Mäusen bei Tierversuchen geopfert werden? Gehört das Halten von Pitbulls verboten? Einige Debatten werden mit nahezu religiöser Inbrunst geführt, meint der US-amerikanische Psychologe und Veterinärmediziner Hal Herzog. Der Mitbegründer der Antrozoologie verortet sich selbst in der "moralischen Mitte", in der sich wohl viele Menschen befinden: Er isst Fleisch, aber weniger als früher und kein Kalbfleisch. Er ist dagegen, dass man Backofensprays und Lidschatten an Tieren testet, aber er würde sie für ein Heilmittel gegen Krebs opfern. So will er auch in seinem Buch "Wir streicheln und wir essen sie", das nun in der deutschen Übersetzung aufliegt, unseren paradoxen Umgang mit Tieren nicht auflösen, sondern nur erklären.

Er sehe die Welt "eher in Grautönen als in dem scharfen Schwarzweiß überzeugter Tierschützer und ihrer fanatischen Gegner", schreibt Herzog. Daher maßt er sich trotz seiner mehr als 20-jährigen Forschungsarbeit auf dem Gebiet der Mensch-Tier-Beziehung keineswegs an, moralisch zu belehren: "Wie die meisten Leute bin ich mir nicht sicher, was unsere ethischen Verpflichtungen gegenüber Tieren betrifft." Die Debatte über den moralischen Status von Tieren wird so erbittert geführt, dass FBI-Beamte vor einige Jahren den radikalen Tierrechtsaktivismus sogar als die größte terroristische Bedrohung in der amerikanischen Innenpolitik bezeichneten.

Tiere, die wir hassen

Von den 65.000 Gattungen an Säugetieren, Vögeln, Fischen, Reptilien und Amphibien weckt nur eine Handvoll größeres Interesse beim Menschen. Ihr "Wert" hängt oftmals von den Merkmalen jener Art ab: Wie attraktiv, wie groß sind sie? Welche Kopfform haben sie? Haben sie ein Fell? Oder sind sie gar schleimig? Zu viele Beine oder gar keine Beine werden meist negativ aufgefasst. Tiere werden von Menschen auch eher nach soziologischen Kriterien als nach ihrem genetischen Stammbaum eingeteilt: So sitzen Hyänen und Hunde zwar auf demselben Stammbaum der Ordnung Carnivora, sind aber auf der Skala der Beliebtheit sehr weit voneinander entfernt.

Die Schönheit spielt eine große Rolle, wenn der Mensch entscheidet, wie andere Gattungen zu behandeln sind. Sie ist auch ein wichtiger Faktor, wenn die Menschen entscheiden, wie viel Geld sie für den Erhalt einer bedrohten Tierart ausgeben. Der zwei Meter lange, braune chinesische Riesensalamander mit seinen winzigen Knopfaugen ist zwar auch vom Aussterben bedroht, aber weniger beliebt als der weiche Panda, dessen Augen durch schwarze Kreise überbetont werden. Damit hat der Bär es sogar zum Logo einer großen Tierschutzorganisation geschafft.

Der kulturelle Hintergrund spielt ebenfalls mit. Wirbellose Tiere werden in den USA und Europa mit Abneigung oder gar Ekel betrachtet. In Japan ist das Verhältnis komplexer. Unter den Kindern sind Hirschkäfer der letzte Schrei. Und unter dem Begriff "mushi" fassen Japaner Insekten, Spinnen, Salamander und Schlangen zusammen, die sie als Haustiere halten.

Tiere, die wir essen

Die subjektive Wahrnehmung und Unterteilung gilt auch für den Tierfleischkonsum: Hunde sind im Westen niedliche Haustiere und kein Mittagsmenü. Viele Chinesen sind da anderer Meinung. Es gibt noch feinere Nuancen: "Pesco-Vegetarier" essen keine Kühe, Schweine oder Geflügel, aber sehr wohl Fische und Meeresfrüchte. Eine rein gefühlsmäßige Einordnung, denn sowohl Vögel als auch Fische sind Wirbeltiere, haben Gehirne und leben gesellig, meint Hal Herzog. Das Ungleichgewicht wird deutlich, wenn er Zahlen aus den USA präsentiert: Auf jedes getötete Versuchstier kommen 200 geschlachtete Tiere für den Fleischverzehr. Auf jeden herrenlosen Hund, der eingeschläfert wird, kommen 2.000 Schlachttiere. Und auf jede junge Sattelrobbe, die für ihr Fell erschlagen wird, kommen 40.000 Schlachttiere.

Der Autor stellt sich auch die Frage, warum so wenige Tiere tatsächlich gegessen werden, obwohl die Liste der essbaren viel länger wäre. Selbst ist er ein abenteuerlustiger Esser: So habe er regelmäßig Schafshirn während seiner Studienzeit in Beirut gegessen, schon Schweinedarm, Qualle, Grashüpfer, Schwarzbärenbraten und Alligator probiert. Persönliche Grenzen stellen für ihn Katze, Fledermaus, Schimpanse, aber auch Balut, das halb ausgebrütete Entenei, dar. Einen wichtigen Einfluss stellt hier die kulturelle Prägung dar.

Tiere, die wir mögen

Der Autor erörtert zudem umfassend die moralischen Probleme, die entstehen, wenn wir Tiere zu einem Teil unseres Lebens machen: Ist es richtig, ein Tier zu töten, um ein anderes zu ernähren? Allein die rund 94 Millionen Katzen, die in den USA leben, verschlingen Unmengen an Fleisch. Wenn jede nur 55 Gramm Fleisch pro Tag frisst, sind es immerhin mehr als fünf Millionen Kilogramm. Und sie töten auch, wenn sie keinen Hunger haben. Schätzungen zufolge fallen pro Jahr eine Million Kleintiere den domestizierten Mitgliedern der Familie Felidae zum Opfer. Hal Herzog formuliert es provokant: "Vermutlich fallen jedes Jahr mindestens zehnmal mehr Felltiere und Vögel unserer Katzenliebe zum Opfer, als bei biomedizinischen Experimenten verwendet werden."

Und er stellt eine weitere Frage in den Raum: "In den Vereinigten Staaten werden jedes Jahr etwa zwei Millionen ungewollter Katzen in 'Tierheimen' eingeschläfert. Die Kadaver werden sofort verbrannt. Wäre es nicht vernünftiger, die sterblichen Überreste Schlangenliebhabern zur Verfügung zu stellen?" Der Autor resümiert am Schluss seiner Gedankenkette, dass es nun für ihn als Schlangenbesitzer nicht nur logisch, sondern sogar moralisch richtig wäre, im Tierheim nach toten Katzen zu fragen. Trotzdem findet er den Gedanken abstoßend, seine Schlange mit toten Katzen zu füttern.

Zwischen Verstand und Gefühl

Wie wir über Tiere denken, wirft Licht auf ein immerwährendes Thema der Psychologie: den Konflikt zwischen Gefühl und Verstand. Der schottische Philosoph David Hume vertrat im 18. Jahrhundert die Ansicht, dass Emotionen die Basis der Moral sind. Immanuel Kant war hingegen der Meinung, dass Ethik auf der Vernunft basiere. "Wir halten uns gern für die vernunftbegabte Gattung. Aber Untersuchungen zeigen, dass unser Verhalten und Denken oft völlig unvernünftig ist", schreibt Herzog. Er unternimmt einen Erklärungsversuch: "Wir sind eine wilde Mischung aus Instinkt, Gelerntem, Sprache, Kultur und Intuition." (derStandard.at, 26.2.2012)

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