Eine Replik auf Andreas Schibanys Kommentar "Wider die Borniertheit der Wachstumskritiker" auf derStandard.at.

Die Wachstumsprognosen der Wirtschaftsforscher sind für praktisch alle industrialisierten Länder schlecht - und zeigen wie durch Zauberhand gezogen immer nach etwa einem halben Jahr wieder nach oben. Bis dahin dümpeln wir weiter dahin. Auf die Finanzkrise folgte die Eurokrise. Auf die Konjunkturprogramme der Jahre 2009/2010 folgten die Schuldenbremsen der Jahre 2011/2012.

Beide Ansätze waren bislang nicht besonders erfolgreich. Vielleicht liegt es ja vielmehr daran, dass diese "Krisen" nur das Symptom eines tiefer greifenden Wandels sind, in dem sich die Wirtschaft wieder auf ein langfristig normales Maß mit geringem Wachstum einpendeln wird. Nicht, weil die Wachstumskritiker (nein: Skeptiker!) das so wollen. Sondern weil es so ist.

Der Quell ständigen Wachstums versiegt

Mit knapper werdenden Ressourcen, sinkender Erwerbsbevölkerung, eingeschränkten privaten wie staatlichen Konsum- und Investitionsmöglichkeiten sowie ähnlichen Symptomen auch in den wesentlichen Abnehmerländern versiegt der Quell ständigen Wachstums. Da braucht es keine Wachstumskritiker - das kann die wirtschaftliche Entwicklung schon ganz alleine. Und Wachstumseuphorie bringt uns - so haben uns die letzten Jahre gelehrt - das Wachstum auch nicht zurück.

Vielleicht ist es einfach an der Zeit, diesen Wandel zu akzeptieren und im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung ein neues Wohlstandsmodell zu gestalten, das auf hohe Wachstumsraten nicht angewiesen ist - solange die Zeit und die Ressourcen dafür vorhanden sind. Wir haben nichts gegen Wachstum. Uns beschäftigt allerdings die Frage: Was genau soll und vor allem kann in Zukunft noch wachsen. Wir haben nichts gegen technischen Fortschritt und Innovation. Ganz im Gegenteil: Unsere Welt braucht jede Menge Innovation und Fortschritt. Aber welchen?

Es liegt im Wesen des Wachstums, das wir bisher kannten, dass es an Grenzen stoßen muss. Mit der Physik lässt sich nun einmal schlecht argumentieren. Jede exponentielle Wachstumskurve, die nicht nur, aber auch auf dem Input knapper Ressourcen basiert, muss sich früher oder später auf einem durchhaltbaren Niveau stabilisieren, das wir derzeit aber noch nicht präzise beschreiben können. Mag sein, dass es in diesem Prozess gelingt, mit Hilfe neuer Technologien auch die Grenzen wachsen zu lassen. Solange diese Option sich aber nur im Bereich des Wünschens bewegt, dürfen wir uns darauf nicht verlassen. Es ist daher zwingend geboten, sich auch mit der durchaus wahrscheinlichen Alternative zu befassen, dass "Wachstum as usual" nicht durchhaltbar ist.

Innovationsschub dringend nötig

Ein Blick in die Geschichte der Menschheit belegt: Die Zeit des hohen Wirtschaftswachstums, wie wir es seit den 50er Jahren in Europa kannten, ist historisch gesehen ein Wimpernschlag. Die Angst vor wachstumskritischem und wachstumsskeptischem Denken und Forschen ist unbegründet. Erstens gibt es derzeit unter Ökonomen und Politikern noch immer einen Mainstream, der Wachstum fordert und sich die Zukunft ohne Wachstum nicht vorstellen kann und mag (ohne damit sonderlich viel zu erreichen). Und zweitens werden ohnehin nicht die Wachstumsskeptiker darüber entscheiden, ob die Wirtschaft weiter wächst, stagniert oder schrumpft. Die entscheidenden Faktoren liegen jenseits ihrer Einflussmöglichkeiten. Sie sind objektiver Natur.

Niedrige Wachstumsraten oder stagnierendes Wachstum müsste uns außerdem in keiner Weise daran hindern, auch in Zukunft gut zu leben. Und es hindert uns nicht daran, innovativ zu sein. Möglicherweise setzt es sogar den Innovationsschub frei, den wir dringend brauchen.

Wir empfehlen schlichtweg Gelassenheit und weisen darauf hin, wie viel "Luft" noch in unserem BIP ist - wenn wir die Realitäten einmal klug durchforsten. Denn nicht alles, was in der Vergangenheit gewachsen ist oder heute noch wächst, bringt den BürgerInnen tatsächlich mehr Wohlstand oder ermöglicht ein gutes Leben. Umgekehrt gilt: Wäre es nicht auch schön, in einer Gesellschaft zu leben, in der nicht mehr die Vielfalt der Dinge ins Unendliche wächst, sondern vor allem Bildung, Gesundheit, Glück? Nachbarschaft, Kennerschaft und Könnerschaft, Gemeinschaft?

Nein, wir brauchen Innovationen und Fortschritt und wollen beides nicht unseren Kindern vorenthalten. Aber wir empfehlen auch einen wertschätzenden Blick auf das, was ist. Und wir halten es für notwendig, den engen Fokus des technikzentrierten Fortschritts- und Wohlstandsverständnisses zu weiten. Er war und ist mit hohen ökologischen und sozialen Kosten verbunden, die wir nicht länger ignorieren können. (Christine Ax, Friedrich Hinterberger, derStandard.at, 23.2.2012)