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Stefan Ruzowitzky war zu Gast beim "Sciene Talk" in der Aula der Wissenschaften.

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Im Jahr 2008 durfte er für "Die Fälscher" den Oscar für den besten ausländischen Film entgegennehmen.

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Am Sonntag ist es wieder so weit: Stars und Filme werden prämiert - die Ocar-Verleihung 2012 steht in Los Angeles auf dem Programm. Vor vier Jahren schlug im Kodak Theatre Stefan Ruzowitzkys große Stunde. Der österreichische Regisseur wurde 2008 für "Die Fälscher" mit dem Oscar für den besten ausländischen Film ausgezeichnet. "Es schmeichelt der Eitelkeit", sagt Ruzowitzky, wenn man zu einer Art Nationalheld avanciere - und relativiert gleich wieder: "In Deutschland kannte mich kein Mensch." Im Herbst kommt sein neuer Streifen ins Kino, eine US-Produktion. "Der Oscar ist die Eintrittskarte, dass man in Hollywood überhaupt mitspielen darf", so Ruzowitzky, der am Montag in Wien sein filmisches Schaffen Revue passieren ließ.

Oscar gestrickt

Planen lasse sich ein Oscar natürlich nicht, erzählt er. Um als europäischer Film zumindest im Rennen zu sein, müssten gewisse Parameter beachtet werden. "Zuerst überlege ich mir, für welches Publikum der Film sein soll." Und: "Gibt es überhaupt ein Interesse für das Thema?" Das wichtigste Marketinginstrument sei die Präsenz bei renommierten Festivals. Preise ebnen den Weg für Kritiken und Interviews. Um maximale Aufmerksamkeit zu generieren, eignen sich Uraufführungen bei Festivals. Zum Beispiel bei der Berlinale. Im Falle von "Die Fälscher", dem Film mit Karl Markovics in der Hauptrolle, der das größte Geldfälscherprogramm der Nationalsozialisten während des Zweiten Weltkriegs zum Inhalt hatte, ging die Strategie perfekt auf. Im Winter 2007 bei der Berlinale, regulärer Kinostart war Ende März, danach folgte die Präsentation bei diversen Festivals, was die Nominierung als bester ausländischer Film ermöglichte und dann im Februar 2008 in der Oscar-Auszeichnung kulminierte.

Leidenschaft geht in die DNA über

Ruzowitzkys Genese zum Regisseur und Drehbuchautor in Personalunion - bei fast allen seiner Filme zeichnete er auch für das Drehbuch verantwortlich - war von "Learning by doing" geprägt. Er studierte in Wien Theaterwissenschaften und Geschichte, für das Fernsehen produzierte er Musikvideos. Den besten Weg, um ins Filmgeschäft einzusteigen, gebe es nicht: "Oft geht das über Schauspiel, Drehbuchschreiben, Werbung oder Journalismus." Was man als Voraussetzung mitbringen müsse, sei Leidenschaft für den Film. Bei Ruzowitzky äußert sich das in Kinobesuchen: "Drei- bis viermal pro Woche." Nicht um cineastische Vorbilder bewusst zu kopieren, aber: "Irgendwann bekommt man das in die DNA."

Nur mit etabliertem Regisseur

Sein erstes Drehbuch schrieb er Mitte der 90er Jahre, "Die Siebtelbauern". Ein Drama, das im bäuerlichen Milieu angesiedelt war und später ausschlaggebend für den internationalen Durchbruch sein sollte. Ruzowitzky hatte bereits eine Produzentenfirma an der Angel, der ORF wollte "Die Siebtelbauern" mit einer Filmförderung auf Schiene bringen. Allerdings nicht mit Ruzowitzky, sondern mit Xaver Schwarzenberger als Regisseur. Nur mit einem Profi, wie es hieß. Die Konsequenz war, dass Ruzowitzky sein Drehbuch nicht verkaufte und stattdessen einen anderen Film drehte, nämlich "Tempo". Der Film kam 1996 in die Kinos und fungierte quasi als "Visitenkarte", um später "Die Siebtelbauern" überhaupt machen zu können. "Tempo" war ein Erfolg.

Film schon vor dem Dreh fertig

"Tempo" und speziell "Die Siebtelbauern" bestechen durch eine spezifische Bildsprache und Ästhetik. Ruzowitzkys Handschrift ist von der Liebe zu Details geprägt und wird bei der Inszenierung von Vordergrund- versus Hintergrundszenen besonders gut sichtbar. "Eine Frage der Konzeption", meint er. Und des Masterplans. Das komplette Storyboard, "das muss man sich wie kleine Comics vorstellen", sei schon vor Entstehen des Films fix und fertig. Mitsamt den Kameraeinstellungen. "Das gibt mir die Sicherheit, planen zu können." Das Geld sei schließlich bei jeder Produktion knapp, Leerläufe müssten vermieden werden. Man dürfte das nicht als "Korsett begreifen, sondern als Backup", das künstlerische Genialität nicht hemme.

Wichtig ist für Ruzowitzky, den Perspektivenwechsel auf die Reihe zu bekommen, also Schreiben und Regieführen auseinanderhalten zu können: "Ab jetzt bin ich nicht mehr der Drehbuchautor, sondern der Regisseur." Vom Selbstverständnis her sieht er sich als akribischen Handwerker: "Ich habe ein Problem zu sagen, dass alles von mir Kunst ist."

Erfolg mit Horror und Franka Potente

Um sein Repertoire zu erweitern, hat Ruzowitzky im Jahr 2000 den Horrorthriller "Anatomie" mit Franka Potente und Benno Fürmann in den Hauptrollen gedreht. "Ich wollte das Genre lernen." Nach dem Erfolg des ersten Teils ließ er 2003 "Anatomie 2" folgen. Filme, die ihn - auch vom Budget her - in eine andere Liga katapultierten: "Es war für mich wichtig zu wissen, dass ich Arthouse-Filme machen und Kinokarten verkaufen kann." Beim Stoff nimmt er die "eigene Gefühlswelt" als Maßstab. "Wovor gruselt es mich, wo werde ich weich und romantisch?" Allerdings sei das eine Gratwanderung: "Ich kann nicht nur erzählen, was in mir ist, sondern ich muss auch den Zugang zum Publikum finden."

Recherche für das Filmmaterial, um sich den Fakten anzunähern, bezeichnet er als "Basis". Die eigene Wirklichkeit sei trotzdem der dominante Strang für die Rekonstruktion. "Die Filme sind voll von historischen Ungenauigkeiten", räumt er ein. Das sei Teil der "künstlerischen Freiheit".

Ausflug in den Trickfilm

Zwischen "Anatomie" und "Anatomie 2" lag Ruzowitzkys bis dato einziger Flop, die Kriegskomödie "Die Männer ihrer Majestät". Mit "Hexe Lili" wagte er sich 2009 auf neues Terrain. Der teilweise animierte Kinderfilm sei den Interessen seiner Töchter geschuldet, "die waren gerade in dem Alter". Mit Tricktechnik zu arbeiten findet er faszinierend: "Es ist unglaublich, was für relativ wenig Geld alles möglich ist." Gegenüber 3D-Formaten zeigt er sich jedoch skeptisch: "Ich brauche es nicht und ich glaube auch nicht, dass es sich durchsetzen wird." Das schon oft totgeschriebene Kino sieht er noch lange nicht am Ende. Große Bildschirme, die in immer mehr Haushalten zu finden sind, könnten den gesellschaftlichen, sozialen Aspekt nicht ersetzen.

Einfluss schwindet mit der letzten Klappe

Ruzowitzkys neuer Film, ein Thriller, ist im Kasten. Gedreht wurde er in Michigan und in Kanada. In den USA, berichtet er, seien die Rollen zumeist streng getrennt. Dieses Mal ist er "nur" Regisseur des zwölf Millionen Dollar schweren Streifens. "In Europa wäre so ein Budget luxuriös, in den USA ist es das nicht." Wann er ins Kino kommt, weiß er nicht - auch nicht, wie der Film heißen wird: "Nach der Fertigstellung ist die Macht des Regisseurs sehr begrenzt."

Mühsamer Prozess

Cineastisch möchte er zwischen den USA und Europa - zwei verschiedenen Filmwelten - oszillieren. "Eine Balance wäre ideal", denn das US-System sei ziemlich nervenaufreibend. Jeder Produzent habe einen Schrank voller Projekte, die er mit Hilfe eines Regisseurs zum Leben erwecken möchte. Nur: "93 Prozent werden nie realisiert." Drehbücher sichten, die Geschichte filetieren, gute Schauspieler engagieren und dann die Finanzierung in die Wege leiten, das seien die größten Herausforderungen. Ein beinhartes Geschäft, das einer simplen Kosten-Nutzen-Rechnung gehorcht: "Wenn ich keine Stars habe, geht es sich nicht aus." Die würden sich weniger am Geld, mehr an der Reputation des Regisseurs und an der Qualität des Drehbuchs orientieren. Auf dem Spiel steht schließlich ihr Marktwert: "Nach ein paar Flops ist man weg vom Fenster."

Förderungen gut ausgebaut

In Europa, kontrastiert Ruzowitzky, ist das System viel langfristiger. "Öffentlich-rechtliche Sender sind in die Planung involviert." Man könne um Fördergelder ansuchen. Natürlich fehlt es immer am Geld, dennoch sei Österreich ein gutes Pflaster für Filmemacher: "Es gibt wenige Orte auf der Welt, wo es so leicht ist, einen ersten Film finanziert zu bekommen." Der Regisseur sieht sich im Kino beheimatet, "ich bin nicht unbedingt der Serienmensch". Er bewundere zwar die subtilen Beobachter des Alltags und das Formen von Charakteren, wie man es in Serien praktizieren kann, aber das sei nicht sein Genre. "Liebe, Mord und Totschlag. Das finde ich super." (Oliver Mark, derStandard.at, 22.2.2012)