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Ab 1. April sollen in ganz Wien speziell geschulte polizeiliche Spurensucher nicht nur bei den "großen Fällen", sondern auch bei Massendelikten eingesetzt werden. Ein Pilotversuch war erfolgreich.

Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Wien - Auch Ohren können helfen, Verbrechen aufzuklären. Zumindest wenn man weiß, wo man nach ihren Abdrücken suchen muss. Das gelingt der Wiener Polizei mittlerweile immer besser. Dank der sogenannten Top-Teams, deren Einsatz ab 1. April auf die gesamte Bundeshauptstadt ausgeweitet wird.

Das Top steht für "Tatort-Opfer" - das Prinzip: Zwei speziell geschulte Polizisten, einer Kriminalist und einer uniformiert, erscheinen am Schauplatz eines Massendeliktes wie Einbruch oder Raub, sichern die Spuren professioneller als bisher und kümmern sich um die Opfer.

Zwei Jahre wurde das System in einigen Bezirken erprobt - ab April sollen nun 140 Polizisten eingesetzt werden, wie der Wiener Landespolizeikommandant Karl Mahrer und Wolfgang Haupt vom Landeskriminalamt sagen. "Die Quantität und Qualität der verwertbaren Spuren wie Fingerabdrücke und DNA-Proben hat sich deutlich gesteigert", sagt Mahrer. Mittelfristig soll so durch mehr Einträge in den Datenbanken erfolgreicher gefahndet werden.Um ein Drittel mehr Spuren sei im Vergleich zu früher sichergestellt worden, sekundiert Haupt. 

Wo ein Handschuh ausgezogen werden muss

Dazu tragen die Schulung und bessere technische Ausrüstung bei. "Auch Einbrecher wissen mittlerweile aus dem Fernsehen, worauf sie achten müssen. Die Kollegen wissen aber, wo sie hinschauen müssen. Also wo beispielsweise ein Handschuh sicher ausgezogen werden muss oder wo wahrscheinlich jemand horcht, um die Lage zu sondieren", sagt Haupt.

Das zu Beginn von den Beamten der unteren Dienstgrade durchaus misstrauisch beäugte Konzept werde mittlerweile gut angenommen. Auch dank einiger spektakulärer Erfolge. "Nach einem Einbruch in Kellerabteilen wurden beispielsweise Spuren gesichert, mit denen dann ein Täter überführt werden konnte, der 70 weitere Einbrüche begangen hat." Ein Autoeinbruch mit dem eigentlich bescheidenen Schaden von 567 Euro wurde ebenso aufgearbeitet - schließlich wurden 17 weitere Fälle geklärt.Glaubt man der Kriminalstatistik, ist der Erfolg der mobilen Teams, die rayonsübergreifend unterwegs sind, auch messbar.

Im Jahr 2011 stieg die Aufklärungsquote in der Bundeshauptstadt um knapp 3,5 Prozent auf mehr als 35 Prozent - der beste Wert seit dem Jahr 2000.Einen messbaren Erfolg registriert man jedenfalls an anderer Stelle: bei der Opferschutzvereinigung Weißer Ring. "Von 2010 auf 2011 hat sich die Zahl der Wiener Verbrechensopfer, die uns kontaktiert haben, verfünffacht", sagt Erika Bettstein, Pressesprecherin der Organisation. "In den anderen Bundesländern gibt es keinen derartigen Anstieg.

Überschaubare Kosten

"Denn der polizeiliche Blickwechsel auf die Opfer komme bei den Betroffenen gut an, sind Mahrer und Haupt überzeugt. Aus mehreren Gründen. "Früher hatten die Menschen etwa nach einem Einbruch unterschiedliche Ansprechpartner. Erst den Streifenpolizisten, dann den Kriminalbeamten, dann einen Kollegen auf der Polizeiinspektion, der die Anzeigebestätigung ausstellte."Nun werde die Anzeigebestätigung gleich vor Ort übergeben, dem Bürger oder der Bürgerin Sicherheitstipps gegeben und er oder sie auf die gesetzlichen Opferrechte hingewiesen.

Die Kosten der Ausweitung seien überschaubar, beteuern die beiden Spitzenbeamten. Das Personal werde nur intern umgeschichtet, arbeite aber effizienter. Wie viel Geld benötigt wird, um die deutlich zahlreicheren Spuren auszuwerten, will man dagegen nicht sagen. "Aber da sich die Qualität verbessert, werden deutlich mehr verwertbare Treffer erzielt", versichert Mahrer. (Michael Möseneder, DER STANDARD, Printausgabe, 23.2.2012)