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Ein französischer Rafale-Jet: Das Flugzeug hat beste Chancen, nach Indien und Brasilien verkauft zu werden.

Foto: EPA/ECPAD/CHRISTOPHE PATENAIRE/HO
Grafik: DER STANDARD, Quelle: SIPRI

Mullahs, Inspektoren, Urananreicherung - der seit Jahren schwelende Atomstreit mit dem Iran beherrscht die internationalen Schlagzeilen, wenn es um militärische Aufrüstung geht. Daneben allerdings blüht das Geschäft im konventionellen Bereich wie kaum je zuvor. Das renommierte Stockholm International Peace Research Institute (Sipri) taxierte den globalen Rüstungsmarkt 2010 auf ein Rekordhoch von 1630 Milliarden US-Dollar. Und die Trends lassen, zumindest außerhalb Europas und der USA, auf weiteres Wachstum schließen (siehe Interview mit dem Sipri-Experten).Die treibenden Kräfte dieser Entwicklung sind vor allem Russland, die Furcht vor dem Iran und China, das in wenigen Tagen die neuesten Zahlen für seinen Verteidigungsetat vorlegen will. 2011 hob Peking diesen um 12,7 Prozent an, im langjährigen Durchschnitt wuchs das Budget der Volksbefreiungsarmee doppelstellig. Wachstumssegment im Markt ist alles, was mit Kampfjets zu tun hat - die Flugzeuge selber, deren Bewaffnung, Luftbetankungssysteme und Radaranlagen.

29-Milliarden-Deal

Der mit Abstand größte Deal wurde vor wenigen Monaten zwischen den USA und Saudi-Arabien definitiv abgeschlossen. Die Saudis bekommen von den Amerikanern 84 neue F15-Jets geliefert, dazu werden 70 ältere F15 nachgerüstet, Raketen, Lasersysteme und Munition geliefert. Volumen: 29, 2 Milliarden Dollar - es ist das größte Auslandsgeschäft, das US-Rüstungskonzerne bisher abgeschlossen haben.

Die Kriegsangst am Golf beflügelt auch andere Großinvestitionen: Neben den Saudis, die ganze 10,4 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung pro Jahr für Aufrüstung ausgeben, haben erst unlängst die vereinigten Arabischen Emirate ein Raketenabwehrsystem im Wert von 3,5 Milliarden Dollar vom größten US-Rüstungsanbieter Lockheed Martin erworben. Auch der Irak rüstet sukzessive auf: 2010 gab das Land knapp sechs Milliarden Dollar für Waffen aus, erst unlängst wurden 18 F16-Kampfjets geordert. Und selbst der vergleichsweise friedfertige Oman bestellte zwölf neue F16.

Rafale hebt doch noch ab

Die mit Abstand umkämpftesten Rüstungsexportmärkte sind allerdings jene der Schwellenländer: Indien hat nach einem langen und umkämpften Ausschreibungsverfahren eben entschieden, mit dem französischen Rüstungsgiganten Dassault exklusive Verhandlungen über die Beschaffung von 126 Rafale-Kampfflugzeugen zu führen. Auftragswert: geschätzte zehn Milliarden Dollar (siehe hier). Diese Gespräche bringen den Rafale-Jet wieder zurück auf einen Pfad, auf dem Verkaufserfolge möglich sind. Denn zuvor hatten sich viele Interessenten aufgrund der Zurückhaltung von Bestellern nicht wirklich an das französische Flugzeug herangewagt, für das Präsident Nicolas Sarkozy höchstselbst passioniert die Werbetrommel rührt. Nur nebenbei: Dassault-Eigentümer Serge Dassault ist mit dem Präsidenten eng befreundet.

Auch Brasilien wird aller Wahrscheinlichkeit nach mindestens 36 Rafale beschaffen. Präsidentin Dilma Rousseff ist der Ansicht, dass die Franzosen das beste Package im Vergleich zu Boeing (F/A-18) und Saab (Gripen) bieten. Das Volumen des Geschäfts beträgt mindestens vier Milliarden Dollar, könnte mit Optionen auf weitere Jets aber noch wachsen. Die Vereinigten Arabischen Emirate indes dachten erneut laut über die zeitweilig auf Eis gelegte Beschaffung von 60 Rafale nach. Rückschläge für die Rüstungsindustrie gab es dagegen in den mit einer neuen Verteidigungsstrategie operierenden USA und in Europa, vor allem was das teure F35-Programm von Lockheed Martin betrifft. Die USA streckten die Anschaffung des Tarnkappen-Flugzeugs auf einen längeren Zeitraum, Italien will die bestellten Stückzahlen deutlich reduzieren: von 131 auf nur noch 90. Die deutsche Bundeswehr reduzierte ihre Bestellungen für Hubschrauber bei EADS deutlich. Sie will nun nur 40 statt 80 Tiger-Kampfhubschrauber und 80 statt 122 NH-90-Transporthelikopter. Auch ein Auftrag für Puma-Schützenpanzer wurde bei Krauss-Maffei Wegmann von 410 auf 350 Stück zurückgestutzt.

Griechen rüsten weiter auf

Nur das bankrotte Griechenland rüstet im Gegensatz zu den meisten anderen europäischen Staaten weiter auf. Der Militärhaushalt wurde in allen bisherigen Sparpaketen weitestgehend verschont. 2010 betrug der griechische Rüstungsetat fast sieben Milliarden Euro oder drei Prozent des BIPs. Die Kennzahl wird in der Nato nur von den USA und der Türkei übertroffen.

Zuletzt kürzte das Athener Verteidigungsministerium 2011 die Rüstungs-Neubeschaffungen um 500 Millionen Euro, U-Boote aus deutscher Herstellung wurden gestrichen. An der Truppenstärke von fast 130.000 Soldaten ändert sich vorerst nichts. Die Griechen rechtfertigen das mit dem Konfliktpotenzial mit dem Nato-Partner Türkei. (DER STANDARD, Printausgabe, 23.2.2012)