Sam Perlo-Freeman (43) ist ein britischer Ökonom und Mathematiker und im Rahmen des "Military Expenditure and Arms Production Programme" wissenschaftlich für das Stockholmer internationale Friedensforschungsinstitut (Sipri) tätig.

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Ein russischer T-90-Panzer während einer Parade auf dem Roten Platz in Moskau.

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Während Europa krisenbedingt abrüstet, investieren Schwellenländer wie Indien und China massiv in ihre Aufrüstung, erklärt der britische Militärexperte Sam Perlo-Freeman. Die Fragen stellte Gianluca Wallisch.

STANDARD: Welche internationale Trends sind bei Militär- und Rüstungsausgaben zu beobachten?

Perlo-Freeman: Keine einheitlichen, sondern eher gemischte. Die Budgetpläne der USA lassen vermuten, dass die Militärausgaben 2011 zumindest nicht weiter gestiegen sind. In Europa haben hingegen viele Staaten damit begonnen, die Etats zu kürzen. Prominent bleiben aber Großbritannien und Frankreich. Auf der anderen Seite gibt es immer noch Staaten, die Steigerungen angekündigt haben, etwa China oder Russland.

STANDARD: Die Rüstungsbudgets werden also in den westlichen Demokratien nicht einheitlich zurückgefahren?

Perlo-Freeman: Nein, die USA tun das nicht, ebenso wenig wie Kanada oder auch Australien. Kürzungen im Rüstungsbereich sind markant nur in West- und Zentraleuropa zu verzeichnen.

STANDARD: Wie stark wirkt sich die Schuldenkrise in Europa auf die Verteidigungsstrategien aus?

Perlo-Freeman: Die krisenbedingten Einschnitte erscheinen mir vor allem in Zentraleuropa eindrucksvoll, aber auch - das ist aber nicht weiter überraschend - in Ländern, die wegen ihrer Staatsschulden besonders betroffen sind: also Griechenland, Irland, Italien und Spanien. Die Armeen werden hier reduziert. Ein Begleiteffekt solcher Maßnahmen sind dann europäische Verteidigungskooperationen, etwa das Abkommen zwischen Großbritannien und Frankreich 2010.

STANDARD: Wladimir Putin hat zuletzt eine massive Aufrüstung Russlands angekündigt. War das bloß Wahlkampfgetöse?

Perlo-Freeman: Der Gedanke an eine Supermacht ist nicht vorrangig, aber Russland will natürlich wieder ein Big Player werden und muss seine militärische Ausrüstung modernisieren, die teilweise noch aus Sowjetzeiten stammt. Der Krieg in Georgien 2008 zeigte ernsthafte Defizite bei der russischen Militärtechnologie auf.

STANDARD: Wie wirkt sich der erfolgte US-Abzug aus dem Irak und der geplante Teilabzug aus Afghanistan auf die Strategie der USA aus?

Perlo-Freeman: Klarerweise führt das zu einer Reduktion des Überseekontingents im Militärbudget der Vereinigten Staaten. So ist der entsprechende Anteil im Verteidigungsbudget von 117 Milliarden Dollar für 2012 auf 88 Milliarden für 2013 reduziert worden. Diese Kürzung steht auch in Übereinstimmung mit den Budgetplänen, die US-Präsident Barack Obama im Jänner präsentiert hat.

STANDARD: Etliche Schwellenländer investieren massiv, um ihre Militärapparate auf Vordermann zu bringen. Wieso?

Perlo-Freeman: Indien sorgt sich wegen China und Pakistan. Bei Brasilien spielt eher Statusdenken eine Rolle, hier sind keine ernsthaften Bedrohungsszenarien bekannt. Was China betrifft, sehe ich kurzfristig keine Wahrscheinlichkeit für bewaffnete Konflikte. Peking sieht aber die Modernisierung seines Militärs als Schlüsselelement für die Erlangung des Status'' als Großmacht. Nur ein starkes Militär ist in den Augen Chinas ein Garant, um die eigenen Interessen schützen zu können.  (DER STANDARD, Printausgabe, 23.2.2012)