ModeratorIn: Guten Tag! Wir begrüßen Andreas Kovar im Chat und bitten die UserInnen um Fragen. Herr Kovar, welche Bezeichnung ist Ihnen lieber: Lobbyist oder "Public Affairs Berater"?

Andreas Kovar: Hallo! Danke für die Einladung. Auf meiner Visitenkarte habe ich Public Affairs Berater stehen. Mit der Bezeichnung Lobbyist habe ich aber auch kein Problem. Interessenvertretung ist ein wesentlicher Teil meiner Arbeit.

ModeratorIn: Userfrage per Posting: Wie sieht der typische Lebenslauf eines Lobbyisten aus? Woher kommen die Leute? "Stolpert" man in diese Tätigkeit über Umwege hinein oder ist sie von langer Hand geplant?

Andreas Kovar: Um als Interessenvertreter zu arbeiten, und Lobbying ist nichts anderes als Interessenvertretung, braucht man zuerst einmal irgendeine fachliche Ausbildung und dann vor allem politische Erfahrung. Die wesentlichen Kompetenzen eines Lobbyisten sind das Kennen, wie Politik funktioniert, und Erfahrung in irgendeinem Politikbereich.

Hagra: Wie hoch schätzen Sie den jährlichen Schaden durch Lobbying für die Steuerzahler ein? Frecher könnte man fragen: was wird jährlich an Schmiergeld umgesetzt ;-)

Andreas Kovar: Zuerst muss man einmal erklären: Lobbying ist das englische Wort für Interessenvertretung, nicht mehr und nicht weniger. Das Recht, seine politischen Interessen zu vertreten, ist ein wesentliches Grundrecht für Bürger und Unternehmer. Die Bestechung von politischen Entscheidungsträgern hat damit oder, besser gesagt, sollte damit nichts zu tun haben. Also Interessenvertretung hilft der Demokratie und schadet ihr nicht. Wichtig ist, dass aber alle Interessen gehört werden.

Erika28: Was sind die Aufgaben eines Lobbyisten und warum sagen Sie Peter Hochegger sei kein Lobbyist?

Andreas Kovar: Die wesentliche Aufgabe eines Lobbyisten ist, politische Entwicklungen zu beobachten und ein Unternehmen oder einen Verband oder eine NGO zu beraten, welche Maßnahmen gesetzt werden können, um mit dieser Entwicklung zurande zu kommen. Was ich gesagt habe (in einem derStandard.at-Interview), war, dass die jetzt genannten Honorare von um die 30 Millionen Euro nicht mit Beratungstätigkeit erklärt werden können. Für 30 Millionen Euro bekommen Sie rund 12.000 Beratertage. In Österreich gibt es kein Unternehmen, das in der Lage wäre, 12.000 Beratertage abzuarbeiten. In Österreich gibt es auch kein politisches Thema, bei dem Sie 12.000 Tage brauchen, um ihre Position zu erklären. Meine Schlussfolgerung ist, dass man danach suchen muss, wofür diese Beträge tatsächlich bezahlt worden sind.

Manfred Bieder: Können Sie genau aufschlüsseln, warum Hochegger Ihrer Meinung nach zu hohe Honorare verrechnet hat und was daran dubios ist?

Andreas Kovar: Die Honorare von Unternehmensberatern und politischen Beratern liegen in der Größenordnung von 2.000 bis 3.000 Euro pro Tag. So viel kostet z. B. auch die Beratung einer arrivierten Rechtsanwaltskanzlei. Kommunikationsberater verrechnen etwa 1.000 bis 1.500 Euro pro Tag. Diese Honorare passen nicht mit den jetzt kolportierten Geldflüssen von zweistelligen Millionenbeträgen zusammen. Die Geldflüsse sind zehnmal höher, als sie bei einem Lobbyingauftrag sein hätten dürfen.

Jo_Ka_li_na: Fühlen Sie durch Hocheggers Agieren in der Vergangenheit und sein Auftreten jetzt in den Medien die Berufssparte in den Dreck gezogen?

Andreas Kovar: Nein. Was mich nachdenklich macht, ist die Häufung von Fällen, bei denen möglicherweise oder auch nachgewiesenerweise politische Macht missbraucht wird. Das ist etwas, was nicht nur in Österreich zu beobachten ist. Denken Sie nur an den Fall Wulff. Was mich zuversichtlich macht: dass diese Fälle jetzt öffentlich hart diskutiert werden und dass z. B. im Fall Wulff auch Konsequenzen gezogen werden. Im Verkehr mit politischen Entscheidungsträgern haben Zuwendungen und Geschenke nichts verloren. Ich hoffe, dass in Österreich das Strafgesetzbuch auch dahingehend geändert wird. "Anfüttern" darf nicht toleriert werden. Wir müssen das in Österreich wieder unter Strafe stellen. Der Nationalrat ist gefordert, hier seine letzte Novelle zu revidieren.

Horst_Fussi: Verfolgen Sie den U-Ausschuss und wie bewerten Sie die bisherige Arbeit? Sind die Abgeordneten der Materie gewachsen?

Andreas Kovar: Die Abgeordneten stehen da vor einer sehr schwierigen Aufgabe. Erfahrungsgemäß bringen solche Untersuchungsausschüsse auf jeden Fall einiges zu Tage. Ich erwarte mir daher noch einige Überraschungen.

Herr Dr. wedl: Sie sagen Hochegger habe zu hohe Summen verrechnet. Warum hat ihm die Telekom das bezahlt?

Andreas Kovar: Da hab ich wirklich keine Ahnung. Die Frage sollte man den zuständigen Managern stellen. Für die Vertretung der politischen Interessen eines Telekomunternehmens wären deutlich geringere Summen erforderlich gewesen. Wir dürfen nicht vergessen, dass ein Großteil der Aufgaben bei der Interessenvertretung von Mitarbeitern eines Unternehmens geleistet wird. Die Telekombranche war in den letzten 15 Jahren in einem starken Umbruch. Die Telekomunternehmen mussten ihre Interessen z. B. in Fragen der Wettbewerbspolitik, des Arbeitsrechts, der Vergabe von Lizenzen vertreten. Dafür haben diese Unternehmen sehr leistungsfähige Rechts-, Regulierungs- und Kommunikationsabteilungen. Wie gesagt, die Honorarhöhe ist vor diesem Hintergrund nicht zu erklären.

Sir Karl Popper: Stichwort Transparenz: Können Sie alle ihre derzeitigen Kunden beim Namen nennen? Wenn nicht, warum nicht?

Andreas Kovar: Unsere Mitarbeiter haben den Auftrag, vor jedem Gespräch mit PolitikerInnen und BeamtInnen ihren Auftraggeber und das Anliegen zu nennen. Im kommenden Lobbyinggesetz ist genau diese Verpflichtung im §6 vorgesehen. Das ist gut so. Unternehmens- und Rechtsberater führen üblicherweise keine öffentlichen Kundenlisten.

Horst_Fussi: Wie ist das im Vergleich mit anderen Ländern? Ist Österreich ein Korruptions-Sumpf?

Andreas Kovar: Die Situation in anderen Ländern ist nicht unbedingt besser. Obwohl die skandinavischen Staaten zeigen, dass man Korruption sehr erfolgreich bekämpfen kann. Sicher ist, dass wir in Österreich Handlungsbedarf haben bei der Gesetzgebung, bei der Strafverfolgung und bei der Bewusstseinsbildung.

Helena21: Denken Sie, dass auch in anderen staatsnahen Betrieben Schmiergeld bezahlt wurde? Post, ÖBB, etc?

Andreas Kovar: Keine Ahnung.

NobbyNobbs: sg herr kovar. wenn sie berater sind: können sie manchen auch raten, zurückzutreten? in deutschland geht so etwas recht schnell, aber in österreich immer erst dann, wenn's nimma anders geht. danke.

Andreas Kovar: Wir beraten nur Unternehmen und keine Politiker. Was auffällt, ist, dass im westlichen Ausland und in Unternehmen sehr viel schneller Konsequenzen gezogen werden als in der österreichischen Politik. Wichtig aber ist die Frage, wie wir Machtmissbrauch verhindern können.

Erika28: Hochegger gibt einem das Gefühl, er leiste in seinem Bereich, also beim Lobbying, gute Arbeit. Warum ist das ein Irrglaube?

Andreas Kovar: Sehr nachhaltig war seine Arbeit zumindest nicht.

Stan A. Beerfillens: Finden Sie es legitim, dass in einer Demokratie Menschen durch Lobbying mehr Einfluss bekommen, weil sie mehr Geld haben?

Andreas Kovar: Nein. Das ist tatsächlich ein Problem, wenn politische Partizipation ungleich möglich ist. Wir haben zwar das Problem, dass manche Gruppen einfach keine politische Stimme haben, weil sie zu arm oder schlicht noch nicht geboren sind, aber dieses Ungleichgewicht müssen Politiker und NGOs ausgleichen. Hätten wir in Österreich Gesetzgebungsverfahren, die transparenter wären, wäre die Beteiligung an der Entscheidungsfindung weniger von den zur Verfügung stehenden Ressourcen abhängig. Eine transparentere Gesetzgebung wäre demokratischer.

Gordon_Gecko: In Österreich nennt man oft Korruption nicht beim Namen, sondern versucht sie als "Part of the Game" zu verkaufen. Wie weit darf man als Lobbyist gehen?Was halten sie von kleinen Geschenken, Gefälligkeiten etc.

Andreas Kovar: Im Umgang mit PolitikerInnen und BeamtInnen haben Zuwendungen und Geschenke nichts verloren.

Scorch: Lobbyisten haben in der Bevölkerung einen schlechten Ruf, da sie mit Bestechung in Verbindung gebracht werden. Die Grenze zwischen zulässiger Einflussnahme und Korruption ist fließend. Wo sollte Ihrer Meinung nach die gesetzliche Grenze gezogen werd

Andreas Kovar: Die Grenze zwischen politischer Beteiligung und Korruption ist sehr klar gezogen. Es gibt keinen Graubereich. Zuwendungen und Gegenleistungen sind verboten. Was wir ändern müssen, ist, dass wir Zuwendungen auch ohne Gegenleistung verbieten. Schon jetzt sehen alle Verhaltensrichtlinien von Lobbyingorganisationen wie ALPAC und ÖPAV vor, dass Zuwendungen an Entscheidungsträger nicht akzeptabel sind.

Horst_Fussi: Habe Sie das Gefühl, dass alle Ausschussmitglieder an Aufklärung ernsthaft interessiert sind? Auch Petzner und Amon?

Andreas Kovar: Ich hoffe es.

green man: Sehr geehrter Herr Kovar! Der einzige Souverän einer Demokratie ist das Volk. Finden Sie es nicht mehr als fragwürdig, wenn demokratisch nicht legitimierte Institutionen über Lobbyisten wie sie Einfluss auf staatliche Insitutionen ausüben?

Andreas Kovar: Nein. Ganz im Gegenteil. Die Beteiligung an politischen Entscheidungen und die Möglichkeit dazu sind ein wesentliches Merkmal der Demokratie. In Österreich ist das Staatsgrundgesetz die wesentliche gesetzliche Grundlage dafür. Meines Erachtens schätzen wir und nutzen wir dieses Recht viel zu wenig. In Nordafrika und in Syrien sehen wir, dass die Menschen einen wahnsinnig hohen Blutzoll für dieses Recht zahlen. Ich würde mir eine wesentlich aktivere Zivilgesellschaft wünschen. Politik darf niemals nur den politischen Parteien überlassen werden.

ModeratorIn: Userfrage per E-Mail: Die schärferen Anti-Korruptionsgesetze werden jetzt schon lange diskutiert, aber es geht nichts weiter. SPÖ und ÖVP bekennen sich dazu, aber es passiert nichts. Wer blockiert?

Andreas Kovar: Ich sehe nicht, dass schärfere Antikorruptionsbestimmungen diskutiert werden. Meines Wissens hat keine einzige politische Partei dazu derzeitig einen Initiativantrag im Parlament eingebracht. Niemand blockiert, aber niemand ist bisher konkret tätig geworden. Ich denke, dass der derzeitige Untersuchungsausschuss da einen Anstoß liefern wird.

Sir Karl Popper: Die Agentur von Strasser, Zach und Aczel (jetzt ZSA, vormals Eurocontact) war Gründungsmitglied von ALPAC, eine an ihrer Büroadresse gemeldeten Lobbyvereinigung. Können Sie uns verraten, seit wann und warum niemand mehr von dem Unternehmen bei ALPAC

Andreas Kovar: Alexander Zach war Mitglied von ALPAC. Anlässlich seiner Kandidatur für das Liberale Forum hat er ALPAC verlassen. Aktive Politiker können nicht Mitglied von ALPAC sein.

Truth is a Troll: Wie sieht den der durchschnittliche Arbeitstag eines Lobbyisten aus? oder anders gefragt können sie uns anhand eines (anonymen) Beispiels beschreiben wie ein Lobbyist für seine Klienten arbeitet?

Andreas Kovar: Public Affairs Manager lesen sehr viel: Zeitung, politische Initiativen, Richtlinienentwürfe, Stellungnahmen und Analysen. Auf dieser Basis versucht man zu erkennen, wo die eigene Organisation, z. B. das eigene Unternehmen, die NGO, die Gewerkschaft, von einer politischen Entwicklung oder einem konkreten politischen Vorhaben betroffen sein könnte. Diese Informationen bekommen die Vorstände des eigenen Unternehmens auf den Tisch, als Entscheidungsgrundlage. In manchen Fällen wird man sich entscheiden, dass man an der weiteren Entwicklung mitarbeiten will. Dann arbeitet man mehrere Monate oder auch mehrere Jahre z. B. an der Entwicklung einer EU-Richtlinie und an der Umsetzung in nationales Recht.

Helena21: Warum schauen die Beamten in den Ministerien zu, wie Gesetze von externen Anwaltskanzleien geschreiben werden?

Andreas Kovar: Das ist in Österreich selten der Fall. In Österreich wird die legistische Arbeit von Beamten erledigt, die dafür notwendige Erfahrung haben. Interessenvertreter formulieren zum Teil einzelne Passagen. Wenn man klarlegen will, welche Forderung man hat, ist es immer noch am besten, einen konkreten Textvorschlag vorzulegen. Als Mitarbeiter in der Politik war ich immer sehr froh, wenn konkrete Vorschläge von einer Interessenvertretung, einer NGO oder einem Unternehmen gekommen sind. Grundsätzlich leiden wir in Österreich nicht an einem Zuviel an politischer Beteiligung. Unser Problem ist vielmehr, dass viel zu wenige Organisationen in der Lage sind, konkrete Vorschläge zu machen.

ModeratorIn: Danke für die vielen Fragen, liebe UserInnen. Die Stunde ist um und wir konnten leider nicht alle stellen. Herr Kovar, danke fürs Kommen!

Andreas Kovar: Danke für die Einladung, war sehr interessant.