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Wahlkampf mit nur einem Kandidaten in der Hauptstadt Sanaa: Abd Rabbo Mansur Hadi, Ali Abdullah Salehs Vizepräsident, soll den Jemen zwei Jahre lang regieren.

Foto: EPA/Yahya Arhab

Sanaa/Wien - Die Bezeichnung "Wahlen" ist nicht ganz zutreffend, wenn der Jemen heute über seinen neuen Präsidenten abstimmt: Abd Rabbo Mansur Hadi, amtierender Präsident und seit 1994 Vizepräsident von Ali Abdullah Saleh, ist der einzige Kandidat. Aber die Jemeniten und Jemenitinnen können bei diesen Wahlen zumindest kundtun, ob sie den Transitionsplan der arabischen Golfstaaten (Golfkooperationsrat) für den Jemen unterstützen.

Jene Gruppen und Regionen, die sich in einem Dauerkonflikt mit Sanaa befinden, werden den Urnen weitgehend fernbleiben: die schiitischen Huthi-Rebellen im Norden und die südarabischen Sezessionisten. In der südlichen Hauptstadt Aden kam es am Montag zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Separatisten, die mit Operationen am Wahltag drohten. Hadi stammt zwar aus dem Süden, hat sich jedoch im Bürgerkrieg auf die Seite des Nordens geschlagen.

Für die meisten revolutionären Kräfte sind diese Direktwahlen, die mit internationalem Geld finanziert wurden, eine Verschwendung in dem bitterarmen Land. Sie fühlen sich von den Parteien der Opposition, die den Deal mit Saleh geschlossen haben, verraten. Schneidend beginnt die "Yemen Times" einen Kommentar: "Hadi war stets bekannt als stiller Mann, der nie einem Befehl von Saleh widersprach, geschweige denn ihn nicht befolgte." Aber immerhin, die Wahlen seien eine Art "Kaiserschnitt", die eine 33-jährige Familienherrschaft beenden. Und in der Tat: Mit Mansur Hadi, der zwei Jahre lang regieren soll, beginnt der Jemen als viertes arabisches Land seine postrevolutionäre Zeit. Saleh ist in den USA zur Behandlung - er wurde 2011 bei einem Rebellenangriff schwer verletzt -, in den vergangenen Tagen kursierten jedoch Gerüchte, er wolle zur Wahl in den Jemen heimkehren.

Saudi-Arabien und die USA haben eine Menge Energie investiert, Saleh davon zu überzeugen, dass seine Zeit unwiderruflich vorbei ist. Präsident Barack Obama ließ Hadi am Wochenende einen Brief überbringen, in dem er ihm seine Unterstützung anbot. Der Überbringer dieses Briefs war nicht zufällig US-Antiterrorchef John O. Brennan. Dass der Umsturz im Jemen langsam und mit vielen Kompromissen auf Kosten der revolutionären Kräfte vor sich geht - eine schwer zu schluckende Kröte ist etwa die Immunitätszusage für Saleh -, ist nicht nur in saudi-arabischem, sondern auch in US-Interesse. Saleh wurde nach 2001 einer der wichtigsten Partner des USA in ihrem "War on Terror". Der schwache jemenitische Staat mit seinen vielen Konflikten ist ein attraktives Rückzugsgebiet für Al-Kaida und andere extremistische Gruppen, die im vergangenen Jahr vermehrt Präsenz gezeigt haben. Die Annahme, dass mit der Abwahl Salehs alle Spuren seines Regimes beseitigt sind, wäre naiv. Die Sicherheitskräfte sind noch immer teilweise in der Hand seines Clans, namentlich seines Sohnes, die wirtschaftlichen Interessen der Familie sind enorm. (DER STANDARD, Printausgabe, 21.2.2012)